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atomare tatsache

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Atomare Tatsache

Eine atomare Tatsache bezeichnet nach der Erkenntnislehre des logischen Positivismus ein urprüngliches, diskretes und isoliertes Sinnesdatum, ein einfachstes Element des "Erlebnisstroms". Atomare Tatsachen werden in atomaren Aussagesätzen fixiert und sollen die Basis der gesamten Wissenschaft darstellen.

Table of contents
1 Zur Definition der atomaren Tatsache bei Ludwig Wittgenstein
2 Zur verbalen Variante des logischen Positiviusmus bei Rudolf Carnap
3 Zur Anwendung der extensionalen Logik bei der Bildung molekularer Aussagen
4 Zur Kritik der Thesen der atomaren Strukturen in bezug auf die Wahrnehmung

Zur Definition der atomaren Tatsache bei Ludwig Wittgenstein

Ludwig Wittgenstein definiert eine atomare Tatsache als eine "Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen)", wobei er unter "Verbindung" gewisse elementare Relationen versteht. Die Relationen gehören zum Bestand der Tatsache, ohne selbst Tatsache zu sein. Atomare Tatsachen sind voneinander unabhängig, so daß aus der Existenz oder Nichtexistenz einer anderen Tatsache die Existenz oder Nichtexistenz einer anderen Tatsache nicht folgt.

Zur Definition des "Ereignisses" bei Russell

Bertrand Russell verwendet anstelle des Begriffs "atomare Tatsache" den Begriff "Ereignis". Ein Ereignis ist eine in sich abgeschlossene Gesamtheit sinnlicher Qualitäten mit folgenden Eigenschaften:

Wie bei Wittgenstein das sinnliche Erkenntnismaterial aus isolierten, diskreten Tatsachen, besteht bei Russell das sinnliche Erkenntnismaterial aus gesonderten, diskreten Mengen sinnlicher Qualitäten. Die Frage, ob den Ereignissen etwas objektiv Reales entspreche, beantwortet Russell im Sinne des subjektiven Idealismus: "Wir nehmen Ereignisse und nicht Substanzen wahr".

Zur verbalen Variante des logischen Positiviusmus bei Rudolf Carnap

Auch Rudolf Carnap hält an der These vom atomaren Charakter des sinnlichen Erkenntnismaterials fest, betont jedoch stärker, daß die Wissenschaft es nicht mit diesem Material selbst, sondern mit atomaren Aussagen (siehe Protokollaussage) zu tun habe, und begründet damit die so genannte verbale Variante des logischen Positivismus.

Die neupositivistische Konzeption vom atomaren Charakter des Erkenntnismaterials ist ein Versuch, der Dialektik des Erkenntnisprozesses zu entgehen, und beruht in methodischer Hinsicht auf einer schematischen Übertragung gewisser Gegebenheiten der formalen Logik auf die Erkenntnistheorie. Im zweiwertigen Aussagenkalkül werden z.B. so genannte Molekularaussagen aus atomaren (elementaren) Aussagen gebildet.

Zur Anwendung der extensionalen Logik bei der Bildung molekularer Aussagen

Die Regel zur Bildung logischer Moleküle ist mit entsprechenden Abwandlungen auch in allen übrigen logisch-mathematischen Kalkülen anwendbar. In der extensionalen Logik wird der Wahrheitswert molekularer (zusammengesetzter) Aussagen als Funktion des Wahrheitswertes der entsprechenden atomaren Aussagen betrachtet, d.h., es wird eine gewisse "Atomisierung" des Wahrheitswertes durchgeführt u.a.

Der logische Positivismus verabsolutiert die diskrete Struktur der Aussagen und überträgt sie auf die Struktur der Empfindungen und Wahrnehmungen. Die menschlichen Empfindungen sind (wie das Weber-Fechnersche psychophysische Gesetz von der sensitiven Erregungsschwelle bestätigt) zwar relativ diskreter Natur, jedoch nicht "ursprünglich", "atomar" und voneinander isoliert.

Zur Kritik der Thesen der atomaren Strukturen in bezug auf die Wahrnehmung

Die sinnliche und rationale Stufe der Erkenntnis bilden stets eine Einheit. Mit jeder Sinneswahrnehmung auf der neurodynamischen Grundlage der bedingten und unbedingten Reflexe des primären Signalsystems sind beim Menschen Überlegungen auf der Grundlage der bedingt-reflektorischen Tätigkeit des sekundären Signalsystems verbunden, d.h., die einzelne Sinnesempfindung liegt nicht in "reiner", "Ursprünglicher" Form vor, sondern wird stets durch das Bewußtsein, durch bestimmte Erfahrungen u.a. beeinflußt.

Auf der sprachlichen Ebene kommt dieser Sachverhalt darin zum Ausdruck, daß jede sinnvolle Aussage bereits gewisse theoretische Begriffsbildungen enthält. Eine atomare Aussage im Sinne des logischen Positivismus erweist sich dagegen als Fiktion. Die einzelnen, objektiven Eigenschaften abbildenden Empfindungen sind auch nicht voneinander isoliert, existieren nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind durch bestimmte Relationen miteinander verbunden, auf deren Grundlage die ganzheitliche und strukturierte Wahrnehmung entsteht.

siehe auch atomarer Ausdruck, molekularer Ausdruck, logischer Atomismus, Physikalismus, logischer Empirismus, Einheitssprache

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