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sein sprachlogik

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Sein (Sprachlogik)

Table of contents
1 Einführung
2 Die Grundbedeutungen des "ist, sind, bin, bist, seid, sein, war, wird"
3 Praktische Bedeutung
4 Kleider und Leute - Worte und Begriffe
5 Literatur
6 Weblinks

Einführung

"Eines der wichtigsten Wörter unserer Sprache ist das Wort "ist". Es ist zugleich eines der philosophisch gefährlichsten. Der Grund dafür liegt darin, dass es einerseits eine Reihe von ganz verschiedenen Funktionen hat, andererseits aber den Anlass für die Formulierung des ontologischen Grundproblems, des sog. Seinsproblems, bildete, wobei leider sehr häufig ein Übersehen dieser verschiedenen Funktionen das Denken auf Abwege führte. Betrachten wir die folgenden Fälle: Ein Theist sagt "Gott ist«, ein Geographielehrer äußert in seiner Unterrichts- {>58} Stunde den Satz "Managua ist die Hauptstadt von Nicaragua« und später auf eine Anfrage "Matagalpa ist eine Stadt«, der Naturgeschichtslehrer berichtet den Schülern "Der Wal ist ein Säugetier«, im elementaren Rechenunterricht kommt die Aussage vor "7+2 ist 9«, die stolze Mutter erzählt von ihrem Sohne "Heinz ist klug«, ein Vater bringt seinem Kinde neue Farbwörter bei und äußert im Rahmen seiner Belehrung bei gleichzeitiger Vornahme einer hinweisenden Gebärde "dies ist ocker«, im Rahmen einer Diskussion reagiert eine Person auf die Behauptung einer anderen mit den Worten "so ist es«. Wir wollen damit beginnen, die verschiedenen Bedeutungen des "ist« klar zu sondern." So Wolfgang Stegmüller in "Sprache und Logik", erstmals 1956 erschienen.

Die Grundbedeutungen des "ist, sind, bin, bist, seid, sein, war, wird"

  • "ist" als Existenzaussage (Wikipedia gibt es, es gibt die Sonne, im Universum gibt es noch andere Lebensformen)
  • "ist" als Identität (der Philosoph, dessen 200. Todestag sich am 12.2.2004 ereignete, ist Immanuel Kant, München ist die Hauptstadt von Bayern, der Trainer des "Wunders" von Bern" ist Sepp Herberger)
  • "ist" als Element einer Menge, Element-Klassen-Relation (Wikipedia ist ein Lexikon, Gerhard Schröder ist Bundeskanzler, dieser Stuhl ist Teil der Einrichtung). Anmerkung: nach Stegmüller gibt es hier verschiedene Deutungen, je nachdem welches Weltverständnis (Ontologie) man einnimmt. Darüber wird seit Jahrtausenden in der Philosophie gestritten (Universalienstreit).
  • "ist" als Teilklasse einer Klasse (Kreuzottern sind Schlangen, Teller sind Geschirr, Wikis sind Gemeinwohlorientierte)
  • "ist" als Zustimmung (so ist es)
  • "ist" als Nominaldefinition (Abkürzung: mit IWF wird der Internationale Währungsfond abgekürzt, o.B.d.A ist eine Abkürzung und heißt ohne Beschränkung der Allgemeinheit, "=def" bedeutet per definitionem gleich)
  • "ist" als begleitende Sprachhandlung bei hinweisender Zuordnung, etwa wenn man Kindern eine Farbe benennt (dies ist gelb <=> dies nennt man gelb <=> dies heißt gelb)

Praktische Bedeutung

Viele Streitereien beruhen auf sprachlichen Unklarheiten und Missverständnissen. Das unscheinbare Wörtchen "ist" gehört mit zu den Top-Kandidaten als Quelle für ebensolche. Der allgemeine Sprachunterricht lässt hier viel zu wünschen übrig. Häufig wird z.B. bei Definitionen nicht richtig verstanden, dass ihnen eine willkürliche Komponente anhaftet. Definitionen sind daher nicht nach wahr oder falsch zu beurteilen, sondern nach ihrer Zweckdienlichkeit: wozu soll diese oder jene Definition "gut" oder "nützlich" sein, weshalb wird sie eingeführt? Man tut also ganz allgemein gut daran, sich möglichst konkret und mit Beispielen verständlich zu machen, was man meint, bevor man in die Vollen geht und einen Sturm im Wasserglas entfacht.

Kleider und Leute - Worte und Begriffe

Die Worte bedeuten für die Menschen Unterschiedliches, jeder hat seine eigenen Erfahrungen, sein eigenes Begriffsverständnis, seine ganz persönlichen Assoziationen. Es wäre daher naiv anzunehmen, dass die Worte ("Kleider") immer die gleichen Begriffe ("Leute") enthalten. Im Grunde sind fast alle Worte Homonyme, d.h. mehrdeutig. Dies hat bereits Aristoteles sehr nachhaltig erkannt und es hat ihn zu einer eindringlichen Mahnung veranlasst:

  • "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein? Es muss also jedes Wort bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muss man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 (Rowohlts Klassiker 1966)"

Literatur

  • Kamlah, W., Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. Mannheim: Bibliographisches Institut.
  • Stegmüller, Wolfgang (1956, 1969). Sprache und Logik. In: Der Phänomenalismus und seine Schwierigkeiten. Sprache und Logik, 66-100. Darmstadt: Wissenschaftliche-Buchgesellschaft. Erstmals veröffentlicht in: Studium Generale. 9. Jahrgang, 2. Heft, 1956 (s. 57-77).

Weblinks

  • http://www.sgipt.org/wisms/analogik/ist-ws.htm - Die Funktionen des 'ist' von Wolfgang Stegmüller (hier auch weitere Links zu Wolfgang Stegmüller)
  • http://www.sgipt.org/diagnos/wif.htm - Was-Ist-Fragen in der Diagnostik. WIF-Fallstricke, Tücken und Probleme
  • http://www.sgipt.org/doceval/testth0.htm#Definitionen,%20Nominal-%20und ? Zur Problematik Nominal- und Realdefinition
  • http://www.sgipt.org/wisms/welten0.htm - Welten und Konstruktionen der Wirklichkeit
  • http://www.sgipt.org/wism/gb/beweis/b_rsr.htm - Beweis und beweisen in Rhetorik, Sophistik und Rabulistik

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