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schiffbau versuchsanstalt

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Schiffbau-Versuchsanstalt

Als Dienstleister der Schiffbau-Industrie ist eine Schiffbau-Versuchsanstalt ein Ingenieurbüro mit angegliederten hydrodynamischen Versuchsanlagen. Zu diesen gehören mindestens

  • ein Schlepptank: In ihm wird mit Widerstands- und Propulsionsversuchen im Modellmaßstab bestimmt, wieviel Leistung, das heißt was für eine Maschine, erforderlich ist, damit das Schiff die vertraglich vereinbarte Geschwindigkeit erreicht. Um außerdem das Manövrierverhaltenverhalten zu bestimmen, wird eine Serie von Z-Manövern bei unterschiedlichen Ruderwinkelamplituden gefahren und aus den Messdaten mittels Systemidentifikation die Möglichkeit geschaffen, solche Manöver rechnerisch zu simulieren, für die der Schlepptank zu schmal ist. Der Schlepptank ist beiderseits mit Schienen versehen, auf denen der Schleppwagen mit allen Messvorrichtungen und Rechnern fährt. Damit das Modell im Falle einer Festeinspannung an jeder Stelle des Tanks exakt gleich tief eintaucht, sind die Schienen in Hochrichtung nicht exakt gerade, sondern folgen mit äußerster Präzision der Erdkrümmung. Manche Schlepptanks sind auch mit einer Wellenmaschine ausgestattet, um Seegangsuntersuchungen durchzuführen. Zur Ausstattung gehört auch eine PMM- Anlage (Planar Motion Mechanism) oder eine CPMC-Anlage (Computerized Planar Motion Carriage), um Schiffe oder andere Objekte an der Wasseroberfläche oder auch tiefgetaucht zwangszubewegen und die hydrodynamischen Kräfte und Momente zu messen. Dass die Bezeichnung "Schlepptank" gebräuchlich ist sollte nicht zu dem Irrtum verleiten, es handle sich um einen geschlossenen Behälter. Vielmehr handelt es sich um ein langes Becken oder einen Kanal in einer entsprechend langgestreckten Halle.

  • ein Kavitationstunnel, auch Umlauftank genannt, um Propeller zu untersuchen. Vorstellbar als ringförmiges Rohr mit sehr großem Querschnitt, das vertikal angeordnet ist und über mehrere Stockwerke reicht. Im oberen Bereich ist die Messstrecke angeordnet. Dort wird eine Parallelströmung hergestellt. Mit einem Dynamometer misst man Schub und Drehmoment des Propellers bei unterschiedlichem Verhältnis von Anströmgeschwindigkeit zu Propellerdrehzahl, um den Propeller zu optimieren. Mit einer Stroboskoplampe, die synchron zur Propellerdrehzahl blitzt, lässt sich die Kavitationsblase so sichtbar machen, als ob sie still stünde, um zu untersuchen, ob der Propeller durch Kavitation beschädigt würde. Damit dies im Modellmaßstab der Großausführung entspricht, wird der Druck abgesenkt, und es wird mit Sorgfalt der Gasgehalt im Wasser eingestellt.

  • Werkstätten: Schiffbau-Versuchsanstalten fräsen ihre Schiffsmodelle aus Holz oder aus Paraffin, und manche stellen auch ihre Propeller selbst her. Der Ein- und Ausbau von Messvorrichtungen und die Einzelfertigung von Anlagen für Sonderversuche runden die Aufgabenstellung ab.

Weitere Versuchsanlagen, über die nicht alle Schiffbau-Versuchsanstalten verfügen, sind

  • ein Manövrier- und Seegangsbecken: Es erlaubt im Gegensatz zum Schlepptank beliebige Winkel zwischen Schiffsmodell und Seegang, und es bietet ausreichend Platz für Manöver, für die der Schlepptank zu schmal ist, jedoch keinesfalls für alle Manöver. Für einen Spiraltest, mit dem vollständig die Gierstabilität gemessen wird, reicht auch in einem solchen Spezialbecken der Platz nicht aus. Neben natürlichem (irregulärem) Seegang lassen sich auch Übertragungsfunktionen (RAOs = response amplification operator) bestimmen, und zwar mittels Wellenpaketen in einem einzigen Versuch für alle Frequenzen.

  • ein Eistank: Für Eisbrecher und andere eisbrechende Schiffe erfüllt er ähnliche Zwecke wie der Schlepptank für Offenwasserschiffe. In Abhängigkeit von der Eisdicke sind Widerstand bzw. erforderliche Leistung sowie das Manövrierverhalten relevant. Hinzu kommen Messungen, welche Kräfte treibendes Eis auf Offshore-Konstruktionen ausübt. Geschlossene Eisdecken werden mit besonderen Verfahren so gefroren, dass die Eiskristalle maßstäblich verkleinert sind. Auch in Treibeis (engl.: brash ice) werden Modellversuche gefahren.

Zusätzlich verfügen Schiffbau-Versuchsanstalten über Software und Erfahrungen, um mit CFD-Methoden die komplizierte Umströmung von Schiffen und ihrer Propulsions- und Steuerorgane numerisch zu simulieren, was nach heutigem Stand der Technik noch lange nicht Modellversuche überflüssig macht, unter anderem weil eine geeignete Elementierung aufwändig und teuer ist. Auch die Linienrisse beziehen Schiffbau-Versuchsanstalten nicht immer vom Auftraggeber, sondern entwerfen sie teilweise selbst, oder sie optimieren vorgegebene Linienrisse anhand der Versuchsergebnisse. Entsprechendes gilt für die Propeller-Entwürfe.

Manche Schiffbau-Versuchsanstalten verdingen sich als kommerzielle Unternehmen, andere sind staatlich, beispielsweise dem Verteidigungsministerium unterstellt. Die Schiffbau-Versuchsanstalten sind weltweit unter dem Dachverband ITTC (International Towing Tank Conference) zusammengeschlossen, um gemeinsame Standards für die Messverfahren zu beschließen.

Die weltweit bedeutendste Schiffbau-Versuchsanstalt ist das David Taylor Model Basin in den USA. Die größte deutsche Schiffbau-Versuchanstalt ist die HSVA in Hamburg. Die VWS in Berlin ist zwar inzwischen stillgelegt und in Auflösung, aber Passanten können sich anhand des markanten rot-blauen Gebäudes an Landwehrkanal / Straße des 17. Juni immer noch ein Bild machen, in welcher Größenordnung man sich einen Kavitationstunnel vorzustellen hat.

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