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scheinselbsta ndigkeit

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Scheinselbständigkeit

Mit der Formulierung von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) im Jahr 1999 wurde die Vermutung einer Scheinselbstständigkeit in das bundesdeutsche Sozialrecht eingefügt.

Eine Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person als Selbstständige auftritt, obwohl sie von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses her zu den abhängig Beschäftigten zählt. Für den Arbeitgeber kann dies Vorteile haben (keine Sozialabgaben, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, kein Urlaubsgeld), aber auch für den Arbeitnehmer (freie Gestaltung der Alterssicherung). Für Niedrigverdiener überwiegen die Nachteile.

Die Scheinselbstständigkeit kann zum Beispiel unter folgenden Umständen vorliegen:

  • die Person ist auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig
  • die Person tritt nicht unternehmerisch am Markt auf (keine Buchführung, kein Marketing usw.)
  • die Person hat einen festen zugewiesenen Arbeitsplatz und feste Arbeitszeiten
  • andere beschäftigte Arbeitnehmer bei diesem Arbeitgeber verrichten eine ähnliche Arbeit

Rechtlich gesehen sind diese Personen Arbeitnehmer, so dass für sie Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) zu entrichten sind. Hierbei kann der Arbeitgeber (mit Ausnahme der zurückliegenden drei Monate) rückwirkend für bis zu 4 Jahre zur Zahlung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteils verpflichtet werden.

Bis zum 31. Dezember 2002 war als eines von fünf Kriterien für die Vermutung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu prüfen, ob die zu beurteilende Tätigkeit typische Merkmale unternehmerischen Handelns erkennen lässt.

In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 14/1855 S. 7) wurde zum Ausdruck gebracht, es werde davon ausgegangen, dass die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zur Durchführung dieser Vorschrift kurzfristig branchenspezifische Kataloge erarbeiten.

Zu den als scheinselbstständig zu wertenden Gruppen gehören unter anderem:

  • Ableser (BFH vom 24.7.1992 - VI R 126/88),
  • Ausbeiner, Zerleger, Lohnschlächter ((BSG-Urteil vom 25.10.1990 - 12 RK 10/90 sowie Niedersachsen vom 18.12.1991 - L 4 Kr 111/89),
  • Autoverkäufer gegen Provision,
  • Bedienungspersonal in Gastronomiebetrieben,
  • Besamungstechniker (BAG vom 15.8.1984 - 5 AZR 620/82),
  • Chorleiter,
  • Ehrenamtliche Rettungssanitäter
  • Frachtführer/Unterfrachtführer (ohne eigenes Fahrzeug),
  • Freie Mitarbeiter (Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung),
  • Hausarbeit (Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung),
  • Hausmeister,
  • Hausvertrieb (Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung),
  • Honorarkräfte (Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung),
  • Kurier-, Express- und Paketdienstfahrer, sofern die Tätigkeit weisungsgebunden ausgeübt wird
  • Messehostessen,
  • Omnibusfahrer, die keine eigenen Busse besitzen, jedoch für Busunternehmen Linienfahrten, Reiserouten, Schulfahrten etc. ausführen,
  • Pflegekräfte, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufheben,
  • Platzierungshilfen/Regalauffüller,
  • Propagandisten (Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung),
  • Sportler - Vertragssportler,
  • Taxifahrer, die kein eigenes Fahrzeug verwenden,
  • Telearbeit, wenn eine feste tägliche Arbeitszeit - auch in einem Zeitkorridor - vorgegeben ist, seitens des Auftraggebers Rufbereitschaft angeordnet werden kann und die Arbeit von dem Betreffenden persönlich erbracht werden muss,
  • Telefonvermittler,
  • Übungsleiter,
  • Verteiler von Anzeigenblättern oder Prospekten,
  • Warenhausdetektive, wenn sie eine nach Stunden berechnete Vergütung erhalten, eine feste Arbeitszeit einzuhalten und bei der Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben Weisungen der Geschäftsleitung Folge zu leisten haben,
  • Zeitungszusteller/-austräger,die Zeitungen an einen vorgegebenen Personenkreis innerhalb eines bestimmten Bezirks und eines zeitlich vorgegebenen Rahmens austragen.

Als nicht-scheinselbstständig gelten, sondern als freiberuflich, handwerklich oder gewerblich tätig hingegen:

  • Ambulante Sonntagshändler (LSG Rheinland-Pfalz vom 14.7.1998 - L 7 U 20/98 sowie LAG Düsseldorf vom 1.7.1997 - 15 Ta 147/97),
  • Anwälte (siehe freie Berufe),
  • Architekten (siehe freie DolmetscherBerufe),
  • Beratungsstellenleiter von Lohnsteuerhilfevereinen (siehe freie Berufe),
  • Betreuer,
  • Binnenschiffer,
  • Dolmetscher (siehe freie Berufe),
  • Dozenten/Lehrbeauftragte (siehe freie Berufe),
  • EDV-Berater (siehe freie Berufe),
  • Ergotherapeuten,
  • Fahrlehrer,
  • Finanzbuchhalter (siehe freie Berufe),
  • Frachtführer/Unterfrachtführer (mit eigenem Fahrzeug),
  • Franchisenehmer,
  • freie Berufe),
  • Gutachter (siehe freie Berufe),
  • Handelsvertreter,
  • Ingenieure (siehe freie Berufe),
  • Interviewer, sofern deren Vergütung für die Tätigkeit sich jeweils auf einen Einzelauftrag bezieht, nicht die Existenzgrundlage bildet und mit einem unternehmereigentümlichen finanziellen Risiko verbunden ist.
  • Makler (siehe freie Berufe),
  • Pharmaberater (siehe Handelsvertreter,
  • Physiotherapeuten, Krankengymnasten, auch dann nicht abhängig beschäftigt, wenn sie wegen fehlender Zulassung nicht zur direkten Abrechnung der erbrachten Leistung mit den Krankenkassen berechtigt sind, aber mit dem Praxisinhaber einen Vertrag über die Tätigkeit als freier Mitarbeiter geschlossen haben,
  • Programmierer (siehe freie Berufe),
  • Rendanten,
  • Sportler - Amateursportler, wenn die für den Trainings- und Spieleinsatz gezahlten Vergütungen die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen der Amateursportler nur unwesentlich übersteigen,
  • Steuerberater (siehe freie Berufe),
  • Tagesmütter, die sich der häuslichen Beaufsichtigung und Betreuung von Kindern widmen,
  • Versicherungsvertreter (siehe Handelsvertreter,
  • Vertreter eines niedergelassenen Arztes, Zahnarztes oder Apothekers, wenn sie keinen Beschränkungen unterliegen, die über die Verpflichtung zur Benutzung der Praxisräume, zur Einhaltung der Sprechstunden und zur Abrechung im Namen des Vertretenden hinausgehen,

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige

Die Zugehörigkeit zu freien Berufen täuscht nicht über die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinweg. So ist für arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI die gesetzliche Rentenversicherung Pflicht. Hierzu gehören Selbstständige, die im wesentlichen - rund fünf Sechstel des Umsatzes - für einen Auftraggeber handeln und keine sozialversicherungspflichtig Beschäftigen haben.

Durch das ?zweite Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt? (?Hartz-Gesetze?) wurden die Vermutungsregelungen (§ 7 Abs. 4 SGB IV) bei so genannter Scheinselbständigkeit für Existenzgründer ersatzlos aufgehoben. Im Gegenteil: Für Personen, die einen Existenzgründungszuschuss gem. § 421 l SGB III (?Ich-AG?) beantragen, wird nun vermutet, dass sie selbstständig sind.

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