Mannheimer Sternwarte
Die Mannheimer Sternwarte wurde von 1772 bis 1774 gebaut und blieb bis 1880 in Betrieb. Danach wurde sie nach Karlsruhe und 1898 schließlich auf den Königstuhl bei Heidelberg verlegt, wo das Nachfolgeinstitut bis heute als Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl besteht.
Der pfälzische Kurfürst Carl Theodor
steht den Impulsen der Aufklärung aufgeschlossen
gegenüber. Mehrfach ist der französische Denker Voltaire an seinem
Hof zu Gast, und der Kurfürst vollzieht zahlreiche Reformen in seinem
Herrschaftsgebiet und gründet wissenschaftliche Einrichtungen. Eine
davon, das physikalische Kabinett, baut der seit 1751 in
Heidelberg tätige Professor für Experimentalphysik und
Mathematik, der Jesuitenpater Christian Mayer auf.
Als Mayer 1756 nach Paris geschickt wird, um die dortige
Wasserversorgung zu studieren, lernt er auch eines der zeitgenössichen
Zentren der Astronomie kennen. Er erwirbt ein astronomisches
Instrument beim Instrumentenbauer Canivet. Damit, einem
Quadranten, beobachtet er 1759 in der Kurpfalz die von
Edmond Halley vorhergesagte Wiederkehr des Kometen.
Carl Theodor läßt 1761 eine provisorische Sternwarte in der
Orangerie des Schwetzinger Schlossparks aus Holz errichten, von der
aus Mayer den Durchgang der Venus vor der Sonne am 6. Juni
beobachtet. Die Beobachtungen müssen den Kurfürsten überzeugt
haben, denn schon im Juli beginnen die Arbeiten für ein
Obseravtionsgebäude auf dem Schlossdach, das 1764 eingeweiht wird.
Einige Jahre später reist Mayer für ein Jahr nach Sankt Petersburg
und beobachtet dort unter anderem den Venusdurchgang am 3. Juni
1769. Die Schwetzinger Sternwarte bleibt indes nicht ungenutzt, Carl
Theodor und sein Gast Prinz Franz Xaver von Sachsen wollen das Naturschauspiel ebenfalls beobachten, was aber an schlechtem Wetter
scheitert.
Noch in Sankt Petersburg veröffentlicht Mayer seine Ergebnisse aus
den Venusdurchgängen und berechnet, mit Hilfe aller ihm bekannten
Beobachtungen der beiden Transits, die mittlere Distanz Erde-Sonne zu
146,2 Millionen Kilometern, was nur drei Millionen Kilometer weniger
ist als der tatsächliche Wert, allerdings mit einer beträchtlichen
Meßunsicherheit.
Am Silvestertag 1771 schließlich legt Mayer eine Denkschrift
über den Bau einer Sternwarte in der Nähe des Mannheimer Hofes
vor, und 1772 beauftragt der Kurfürst die Hofkammer mit dem Neubau
der Sternwarte. Noch im selben Jahr wird der Grundstein des Turmes
neben dem Mannheimer Schloss, in der Nähe des Jesuitenkollegs gelegt. Mit Hilfe der in den
folgenden Jahren erworbenen Instrumente und der zahlreichen aus der
kurfürstlichen Bibliothek überlassen Bücher macht Mayer die
Mannheimer Sternwarte zu einer bekannten und international
ebenbürtigen Forschungseinrichtung.
So finden sich im Gästebuch der Mannheimer Sternwarte nicht nur die
Eintragungen zahlreicher namhafter Kollegen, sondern auch die
illustrer Gäste wie Wolfgang Amadeus Mozart, der sich als
Hofkapellmeister bewirbt, Benjamin Franklin als Abgesandter der jungen
Vereinigten Staaten, und selbst solche in arabischer und anderen
Schriften.
Die astronomischen Arbeiten Mayers finden in der Entdeckung der
Doppelsterne als zusammengehörige Gebilde ihren Höhepunkt. Von den im
Bodeschen Himmelsatlas 1782 veröffentlichten
Doppelsternen wurden die meisten von Mayer beobachtet.
1783 stirbt Christian Mayer, nachdem Carl Theodor die Kurpfalz 1778
verlassen hatte, um Bayern zu regieren. Nicht zuletzt durch die
Abwesenheit eines sich persönlich kümmernden Fürsten verläuft
die Geschichte der Sternwarte nach dem Tode Christian Mayers weniger
glücklich.
Der neue Hofastronom, der Jesuit Karl König, wird vom Kurfürst
bald nach München versetzt, der nächste, der Ex-Jesuit Johann
Fischer, macht sich so viele Feinde, dass er 1788 nach nur anderthalb
Jahren wieder geht. Mit dem Lazaristen Peter Ungeschick trifft man
wohl eine bessere Wahl, aber der stirbt schon 1790 auf der Rückreise
von einem Studienaufenthalt in Paris. Ihm folgt Roger Barry, ebenfalls
Mitglied des Ordens der Lazaristen.
Die anfänglichen Erfolge Barrys werden durch die Kriege der
napoleonischen Zeit zunichte gemacht, die auch die Sternwarte
schwer in Mitleidenschaft ziehen. Der Turm wird mehrfach beschossen,
Instrumente werden zerstört, andere beschädigt. Einige verschwinden
auch auf ungeklärte Weise. Barry, zeitweise sogar durch die Franzosen
inhaftiert, erhält zwar Gelegenheit zur Beobachtung eines
Merkurdurchgangs, kann aber sonst wenig ausrichten.
Nach dem Krieg übernimmt 1806 das Großherzogtum Baden die
rechtsrheinischen Gebiete der Kurpfalz und damit auch die Sternwarte.
Der Hofastronom Roger Barry nimmt seine Beobachtungen wieder auf,
erkrankt jedoch 1810 und die Sternwarte bleibt bis zu seinem Tode
1813 ungenutzt. Seine zahlreichen Beobachtungen mit dem
Mauerquadranten nach 1800 bleiben unpubliziert, da sie von seinen
Nachfolgern als nicht mehr zeitgemäß eingestuft werden.
Damit ist die Zeit der katholischen Orden an der Mannheimer Sternwarte
vorüber. In den Jahren bis zur badischen Revolution 1848
bleibt die Sternwarte hinter ihren glänzenden Anfängen
zurück. Berühmte Astronomen können entweder nicht gehalten werden, wie
Heinrich Schuhmacher, der das älteste noch existierende
Fachjournal der Astronomie gründet, oder werden trotz Interesses durch
ungeschickte Personalpolitik abgeschreckt, wie Friedrich Wilhelm Struwe, der dann in Pulkowa bei Sankt Petersburg ein
rennomiertes Observatorium aufbaut. Ab 1816 bis zu seinem Tode
1846 ist Bernhard Nicolai Hofastronom, der sich hauptsächlich
den Bahnen der Kometen widmet. In seiner Zeit wird unter anderem ein
dreizölliger Refraktor von Fraunhofer angeschafft, der später bei den
deutschen Expeditionen zu Beobachtungen der Venusdurchgänge 1874 und
1882 Verwendung findet.
Das Instrumentarium und der Sternwartenturm selbst waren in die Jahre
gekommen. Breits ausgereifte Pläne zum Neubau der Sternwarte
können in der Revolutionszeit jedoch nicht mehr verwirklicht werden,
und am 10. Juni 1850 beschließt man sogar die Aufhebung des
Instituts, indem kein neuer Hofastronom mehr bestellt wird. Der
Heidelberger Professor Nell übernimmt 1852 die Aufsicht, allerdings
ohne Gehalt. Wiederum wird eine, diesmal bescheidenere
Institutserneuerung geplant, die 1859 mit der Bestellung eines
sechszölligen Teleskops auch beginnt.
1860 kommt mit Eduard Schönfeld wieder ein besoldeter Hofastronom nach
Mannheim, der sich durch seine Beobachtungen astronomischer Nebel auch schon bald einen Namen macht. Fachlich trägt er
mit seiner Arbeit wesentlich zum noch heute benutzten Katalog der
"Bonner Durchmusterung" bei. Darüberhinaus organisiert er mehrere
astronomische Treffen. Bei einem solchen Treffen am 28. August 1863
wird in Heidelberg die Astronomische Gesellschaft Deutschlands
gegründet, die noch heute besteht. Schönfeld wird in den
Gründungsvorstand gewählt. Neben vielen anderen Tätigkeiten nimmt er
1871 an der Beratenden Commission zur Vorbereitung des
Venusdurchgänge 1874/82 Teil.
Als Schönfeld 1875 nach Bonn geht, um dort Sternwartendirektor zu
werden, übernimmt Wilhem Valentiner die Mannheimer Stelle. Der
Standort inmitten der Stadt ist nicht mehr zeitgemäß. Die
Sternwarte wird nach Karlsruhe verlegt und dort 1880 in einer
behelfsmäßigen Hütte untergebracht, von wo aus aber keine
nenneswerten Beobachtungen stattfinden können. Pläne zum Bau einer
dauerhaften Sternwarte in Karlsruhe werden, sehr zu Valentiners
Verdruß, nicht verwirklicht, obwohl erste Teleskope und
Instrumente angeschafft werden.
In dieser Zeit erwacht auch an der Universität in Heidelberg der
Wunsch nach einer Sternwarte. Der junge Heidelberger Astronom Max Wolf
errichtet bereits ab 1880 eine Privatsternwarte in seinem Elternhaus.
Er setzt konsequent auf die Fotografie zur Beobachtung, und macht sich
so schnell einen Namen in der Astronomie.
1892 trägt eine Deputation Heidelberger Professoren, unter ihnen Max
Wolf, dem Karlsruher Großherzog den Wunsch nach einer forschungs-
und lehrtauglichen Universitätssternwarte vor. Das nicht gerade
finanzstarke Baden jener Zeit kann jedoch kaum mehr als die Errichtung
der Bauten leisten und die Karlsruher Instrumente sind für Wolfs
Spezialgebiet, die Astrofotografie, ungeeignet. So sucht Wolf nach
Förderern, die ihm die Anschaffung neuer Teleskope ermöglichen.
Er erweist sich als ausgesprochen glücklich: Die US-amerikanischee
Wissenschaftsmäzenin Catherine Wolfe-Bruce spendet 10,000 Dollar
für ein Teleskop, und ihrer Stiftung folgen weitere.
Schließlich wird der Bau einer Sternwarte bei Heidelberg
bewilligt, an die auch die Karlsruher Instrumente überführt werden
sollen.
Am 20. Juni 1898 wird das Observatorium auf dem Königstuhl
feierlich eingeweiht. Es besteht aus einer
astrometrischen Abteilung, die von Wilhelm Valentiner
geleitet wird und das Karlsruher Instrumentarium beinhaltet, und Max
Wolfs astrophysikalischer Abteilung, die mit Instrumenten aus seiner
Privatsternwarte und den neuen Stiftungsinstrumente ausgestattet
wird. Nach der Emeritierung Valentiners 1909 werden beide Abteilungen
vereint. Wolf arbeitet auf vielen Gebieten der Astrophysik; er
untersucht die Struktur der Milchstraße, spektroskopiert Sterne und
Gasnebel und sucht intensiv nach Kleinplaneten, von denen auf der
Sternwarte insgesamt mehr als 800 entdeckt werden. Als Ehrenbürger
Heidelbergs wird er 1932 auf dem Bergfriedhof beigesetzt.
Nach dem zweiten Weltkrieg gibt es einen neuen
Anfang für das Institut, das nun Landessternwarte Königstuhl, LSW
heißt. Die Mannheimer Instrumente werden 1983 dem Landesmuseum
für Technik und Arbeit in Mannheim gestiftet, wo einige davon Teil der
ständigen Ausstellung sind. Der Sechszöller von 1859 wird der Stadt
Karlsruhe zum Aufbau einer Volkssternwarte geschenkt, ein anderes
Instrument der Volkssternwarte Heppenheim. Die wertvollen Bücher der
alten Bibliothek, deren ältestes von 1476 stammt, übereignet das
Institut der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek.Vorgeschichte der Sternwarte in Schwetzingen
Die Venusdurchgänge 1761/1769
Die kurpfälzische Zeit
Die Gründungszeit der Mannheimer Sternwarte
Die Nachfolger Christian Mayers
Die badische Zeit
Von den napoleonischen Kriegen bis zur deutschen Revolution
Umzug nach Karlsruhe
Die Bergsternwarte Heidelberg