Manövrieren
Der Ausdruck Manövrieren bezeichnet eine gewollte und kontrollierte Änderung des Bewegungszustands. Ein Fahrzeug manövriert, indem es ein Manöver fährt bzw. fliegt.Beispiele:
- Ein- und Ausparken eines Automobils
- Ausweichmanöver eines Motorrades
- Landung eines Hubschraubers auf einem Schiff bei starkem Seegang
- Williamson-Turn (Mann-über-Bord-Manöver) eines Schiffes
- Halse eines Segelbootes
- Andocken einer Raumfähre an eine Raumstation
- Fahrstreifenwechsel eines KFZ
- Straßenfahrzeuge sind reibschlüssig an den Untergrund gefesselt, ihre Manövrierbewegungen ergeben sich nach den Gesezmäßigkeiten der Kinematik unmittelbar aus den Lenkbewegungen des Fahrers.
- Luft- und Wasserfahrzeuge müssen schräg zur Anströmung stehen, um für Richtungsänderungen die Fliehkraft mit hydro- oder aerodynamischen Liftkräften auszugleichen. Sie gehorchen ihren Steuerungsorganen deshalb verzögert.
Ein besonders interessantes Phänomen ist die Gierstabilität. Bestimmte Schiffe verhalten sich gier-instabil. Sie fahren ohne Ruder zu legen im Sinne eines labilen Gleichgewichts geradeaus, d.h. also überhaupt nicht. Die Drehrate als Funktion des Ruderwinkels weist eine Hystereseschleife auf, d.h. wenn man den Ruderwinkel allmählich ändert und durch den Nullpunkt führt stößt man auf einen Bereich, in dem das Schiff falsch herum dreht und erst bei größeren Ruderwinkeln schlagartig seinen Drehsinn ändert. Um den Zusammenhang zwischen Ruderwinkel und Drehrate zu messen und als Steuerkurve darzustellen führt man ein Spiralmanöver nach Dieudonné durch, das man sich als Folgen von Drehkreisen vorstellen kann. Eine vereinfachte Möglichkeit zur Feststellung von Gier-Instabilität ist das Pull-Out-Manöver, bei dem gemessen wird, gegen welchen Wert die Drehrate konvergiert, wenn man nach einer Störung das Ruder mittschiffs legt. Als Kennwert ist teilweise der Stabilitätshebelarm gebräuchlich. Er beschreibt, wie weit der hydrodynamische Kräftemittelpunkt bei reiner Kreisfahrt ohne Driftwinkel vor dem hydrodynamischen Kräftemittelpunkt bei reiner Translation ohne Drehung liegt. Das Schiff fährt gierstabil bei positivem Stabilitätshebelarm.
Das Manövrierverhalten von Schiffen kann durch Einflüsse der Umgebung beeinträchtigt werden: Auf flachem Wasser strömt weniger Wasser under dem Schiff hindurch und mehr seitlich dran vorbei, wodurch die Zuströmung des Ruders verschlechtert wird. Demzufolge kann es vorkommen, dass ein Schiff beim Passieren einer Untiefe seinem Ruder nicht mehr gehorcht. Wenn zwei Schiffe zu dicht nebeneinander her fahren entsteht im Sinne der Bernoulli-Gleichung im Spalt ein Geschwindigkeitsüberschuss und demzufolge ein Unterdruck, weil der Spalt mittschiffs einen engeren Querschnitt aufweist, und die Schiffe saugen sich aneinander fest. Ähnliches gilt für Begegnungen mit zu geringem Abstand. In der Nähe von Hafenanlagen spiegeln vertikale Wände die Potenzialströmung, das Schiff wird von seinem eigenen potenzialtheoretischen Spiegelbild angesogen.
Für die Sicherheit sind auch die Kennwerte des Williamson-Turn relevant: Im Fall "Mann über Bord" wird hart Ruder gelegt, und nur wenn die richtige Kurswinkelabweichung, bei der hart Gegenruder gelegt werden muss, bekannt ist, gelingt es, den Gegenkurs mit dem Anfangskurs zur Deckung zu bringen und die verunfallte Person wiederzufinden.
Die Entscheidung sinnvoller Normen über die Manövrierfähigkeit von Schiffen wird dadurch erschwert, dass sich immer wieder neue und unkonventionelle Steuerungs- und Propulsionsorgane durchsetzen. Zu nennen sind beispielsweise Pod-Antriebe, die Außenbordmotoren nicht unähnlich in einer mit Propellern bestückten Gondel riesige Elektromotoren (Gleichstrommaschinen) beherbergen und rundum drehbar sind.
Entsprechende Modellversuche, Systemidentifikations-Berechnungen und in Zukunft auch vermehrt manövrierbezogene CFD-Berechnungen sind ein Aufgabengebiet der Schiffbau-Versuchsanstalten.