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fortschritt

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Fortschritt

Unter Fortschritt versteht man eine als Verbesserung bewertete Veränderung des Zustandes, gelegentlich auch ein wertfreies Näherkommen an ein Ziel.

Der Begriff hat erhebliche geschichts- und kulturphilosophische Auswirkungen und prägt in besonderer Weise das Weltbild der westlichen Moderne. Vielen erscheint die Idee, dass es "Fortschritt" gibt, so selbstverständlich, dass sie nicht daran denken, dass es auch völlig andere, dazu im Widerspruch stehende, weltanschauliche Axiome gibt. Das Fortschrittsdenken setzte sich in der Neuzeit in Europa und in Nordamerika durch. Insbesondere mit der Französischen Revolution und mit der Aufklärung bekam die Vorstellung eines ständigen Fortschritts der Menschheit einen erheblichen Schub.

Table of contents
1 Was ist Fortschritt
2 Die Linearität der geschichtlichen Veränderung
3 Kulturoptimismus
4 Teleologie
5 Entwicklung, Vorsehung
6 Alternative geschichtsphilosophische Konzepte
7 Zitat
8 Weblinks:

Was ist Fortschritt

Das Fortschrittsdenken beinhaltet folgende geschichtsphilosophischen Axiome:
  • Die geschichtliche Entwicklung verläuft linear.
  • Der allgemeine Zustand wird zunehmend besser, eventuell durch Rückschläge unterbrochen. ("Kulturoptimismus")
  • Eventuell kommt noch die Vorstellung hinzu, dass die Veränderungen einem Ziel zusteuern ("Teleologie")
  • Oft ist mit dem Fortschrittsglauben die Vorstellung verbunden, dass sich Geschichte planvoll entwickle

Die Linearität der geschichtlichen Veränderung

Durch die Vorstellung der Linerarität werden grundlegende Begriffe unserer politischen Orientierung impliziert. So gilt als fortschrittlich oder progressiv, wer auf diesem (eindimensionalen!) Weg vorangeht, also den geschichtlichen Prozess gewissermaßen beschleunigt. Als konservativ in diesem Sinn gilt hingegen, wer den linearen Bewegungsablauf bremsen oder gar anhalten will, als reaktionär gar, wer ihn umkehren, also rückwärts gehen, will. Zu beachten ist, dass diese Begrifflichkeiten zum Aneinandervorbeireden führen, wenn der Gesprächspartner das Axiom einer linearen geschichtlichen Veränderung gar nicht akzeptiert, oder wenn er sie in eine andere Richtung verlaufen sieht.

Kulturoptimismus

Der Kulturoptimismus unterstellt, dass Veränderung im Regelfall eine Verbesserung ist. Daraus resultiert eine positive Bewertung des "Neuen" sowie eine negative Bewertung des "Alten", also "Überholten". Entsprechend diesem Denken wird unsere heutige Zivilisation als besser als frühere bewertet und es wird angenommen, dass zukünftige Zivilisationen besser als unsere heutige sind. Im wirtschaftlich-technischen Bereich entstand daraus der Wachstumsglaube, der eine ständige Verbesserung der Lebensverhältnisse durch ständig zunehmende Ausbeutung der Ressourcen der Erde annimmt. Mit der ersten Ölkrise bekam diese Vorstellung einen erheblichen Rückschlag.

Das Fortschrittsdenken beinhaltet oft auch die Vorstellung, "Utopien" (griech. ou tópos = kein Ort, Nirgendwo), etwa gesellschaftspolitischer Art, verwirklichen zu können. Noch nie Dagewesenes erscheint dem Kulturoptimisten als grundsätzlich erreichbar, ja geradezu als Inhalt des politischen Denkens.

Teleologie

Der Glaube an ein Endziel der geschichtlichen Veränderungen ist sehr alt und beruht in unserem Kulturkreis auf alten biblischen Vorstellungen. Die Vorstellungen, wie dieses Endziel auszusehen habe, sind allerdings höchst unterschiedlich. Gleichwohl ist ein vom Ende her gedachter Zweck eine verbreitete Vorstellung. Religiös gibt es den Glauben an ein "Drittes Reich" (nach dem ersten bis Jesus Christus und dem zweiten danach), das ewig ("tausendjährig") besteht. Wie erkennbar, hat Adolf Hitler diese mythischen Vorstellungen aufgegriffen, um sie auf sein, allerdings irdisches, Reich zu übertragen.

Auch der Kommunismus hat eine solche teleologische Vorstellung. Die klassenlose Gesellschaft der marxistischen Theorie, die letztendlich auch den Staat absterben lässt, ist eine Gesellschaft, in der jeder nach seinen Bedürfnissen leben kann. Wann dies zu erreichen ist und ob das gewissermaßen automatisch kommt, oder ob es durch Handlungen (eventuell sogar durch Klassenkampf) herbeigeführt werden muss, darüber sind sich die verschiedenen Fraktionen marxistischer Weltanschauung uneinig.

Nicht immer ist mit dem Fortschrittsdenken ein teleologisches Konzept verbunden. Fortschritt kann auch ohne bestimmtes Ende, also ergebnisoffen, gedacht werden.

Entwicklung, Vorsehung

Häufig ist mit dem Fortschrittsdenken die Vorstellung verbunden, dass der Lauf der Geschichte im Prinzip bereits feststehe. Wir könnten dann diesen Lauf entweder gar nicht oder nur geringfügig oder allenfalls im Tempo des Ablaufs beeinflussen. Das heute sehr verbreitete Wort von der Entwicklung kommt aus dieser Vorstellung: Danach ist der Ablauf der Geschichte bereits vorher z.B. von Gott "aufgewickelt" worden. Diese bereits aufgewickelte Geschichte ent-wickelt sich jetzt. Wir können den Faden der Geschichte also nicht ändern. Wir können allenfalls etwas bremsen oder beschleunigen, was bereits unter dem Punkt Linearität beschrieben wurde. In einer religiös neutraleren Form wird nicht von Gott, sondern von der "Vorsehung" gesprochen, also einer wie auch immer gedachten Institution, die den Lauf vorhersieht und - das steckt zwar nicht im Wort, aber in der üblichen Anwendung des Wortes - Entscheidungen so trifft, dass die Entwicklung planmäßig ablaufen kann.

Wo Philosophen, die dem Fortschrittsdenken verpflichtet sind, Vorhersagen für die Zukunft machen, sind dies Extrapolationen aus der Vergangenheit. So beschreibt Karl Marx mit "ehernen Gesetzen" der Geschichte nicht etwa eine Wiederholung oder ein Gleichbleiben des aus der Vergangenheit Bekannten, sondern eine Weiterentwicklung, deren Zielrichtung sich aber aus der Vergangenheit ermitteln lässt.

Alternative geschichtsphilosophische Konzepte

Dem Kulturoptimismus des (ständigen) Fortschritts der Menschheitszivilisation steht der Kulturpessimismus derer gegenüber, die einen ständigen Abstieg von einem als gut oder paradiesisch empfundenen Urzustund zu erkennen glauben. Solche Kulturpessimisten gibt es aus christlicher Sicht (siehe Paradies) ebenso wie aus einer Hochachtung des "edlen Wilden" ("bon sauvage") im Gegensatz zum verderbten zivilisierten Menschen. "Zurück zur Natur" ist einer der Schlachtrufe. Auch Bewunderer der Antike wie der dem Faschismus nahestehende Kulturphilosoph Julius Evola (Buchtitel "Inmitten von Ruinen", womit die antiken Ruinen gemeint sind) zählen zu denen, die im "Zurück!" eine moralische Verbesserung der Menschheit erhoffen (siehe auch Dekadenz; Goldenes Zeitalter).

Eine andere geschichtsphilosophische Sicht glaubt, dass die Verhältnisse - zumindest mit einiger Abstraktion - immer gleich bleiben. Daraus folgt, dass die Vertreter dieser Sichtweise davon überzeugt sind, dass man aus der Geschichte empirisch allgemeine Gesetze ableiten kann, die zeitlos gültig sind. Einer der bekanntesten Denker dieser Richtung ist Niccolò Machiavelli. Aber auch alle empirischen Sozialwissenschaftler gehen davon aus, dass zumindest Teile der untersuchten sozialen Strukturen und ihrer Gesetzmäßigkeiten auch für die Zukunft erhalten, also konstant, bleiben.

Wiederum eine andere geschichtsphilosophische Vorstellung ist die vor allem in östlichen, d.h. von Indien beeinflussten, Ländern vorherrschende Vorstellung, Geschichte laufe zyklisch ab. Nach dieser Vorstellung gibt es weder Fortschritt zum Guten noch ein Abgleiten ins Schlechte, aber auch keinen Stillstand, sondern eine kreisartige Bewegung. Geschichte verändert sich ständig, kommt aber wieder da heraus, wo sie begonnen hat.

Zitat

  • Fortschritt heißt: aus dem Bann heraustreten, auch aus dem des Fortschritts.
    • Theodor W. Adorno (Fortschritt, 1962)

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