Die Germanienpolitik des Domitian
Unter Domitian begann die Phase einer erneuten (begrenzten) römischen Expansion rechts des Rheins im Bereich der obergermanischen Heeresgruppe. Im Jahre 83 führte der Princeps einen Feldzug gegen die Chatten durch. Dabei gelang die Unterwerfung des Gebiets zwischen Taunus, Lahn und Main (Wetterau). Die Annahme des Namens Germanicus, das ungeheure Gepränge, mit dem der Triumph über die Germanen Ende 83 gefeiert wurde, Münzlegenden, die Domitian mit Germania capta, de Germanis als summus Rheni domitor feiern (bis zum Jahre 87), lassen darauf schließen, dass der Princeps hinter einem räumlich begrenzten Erfolg das Germanenproblem endgültig als abgeschlossen erklären wollte . Aus Analogien mit Vespasian und Trajan geht hervor, dass mit Formulierungen wie Germania capta die in Kämpfen errungene Einrichtung neuer Provinzen gefeiert wurde. Mit der Erneuerung solcher alter Formeln sollte - so will es scheinen - jenes unerfüllte Versprechen der endlichen "Befriedung Germaniens" als scheinbar eingelöst dokumentiert werden.
Nach einem erneuten Chattenkrieg im Jahre 85 gelang es Domitian, nach der Sicherung seines Teilerfolges im Chattenland durch die Taunuskastelle die Bereiche des ober- und niedergermanischen Heeres mit propagandistischem Aufwand in zwei regelrechte Provinzen umzuwandeln und damit den endgültigen Verzicht auf eine wirkliche Eroberung Germaniens zu verschleiern. Dieser Chattenkrieg stellt die letzte große militärische Machtdemonstration im rechtsrheinischen Germanien dar. Anschließend wurde ein Teil der Truppen an die Donau verlegt (Vorbereitung des Dakerkrieges).
Domitian hat so das seit Augustus ungelöste Germanienproblem durch die offizielle Gründung der beiden Provinzen Germania Superior und Germania Inferior für beendet erklärt . Noch im Jahre 82 war in offiziellen Dokumenten nur von der Germania die Rede gewesen. Kurz darauf tauchen die ersten Inschriften auf, die von duae Germaniae sprechen. Tilmann BECHERT nimmt daher an, dass Germania inferior etwa in den Jahren 83/84 seine lex provinciae erhalten hat, die alle Fragen der Gerichtsbarkeit, Steuergesetzgebung und Verwaltung in der Provinz gesetzlich und endgültig regelte; die exakte Amtsbezeichnung des Statthalters lautete jetzt: legatus Augusti pro praetore Germaniae inferioris (vorher: legatus Augusti pro praetore exercitus Germanici inferioris). Seit dem Ende der 80er Jahre wurden die Legaten der germanischen Heere consularische Statthalter der beiden schmalen Grenzprovinzen Ober- und Niedergermanien. Im Rang und in ihrer Laufbahn standen sie etwa zwischen den Statthaltern der beiden moesischen und denen der großen, mit drei Legionen besetzten Provinzen, wie Britannien, wohin der militärische und politische Aufstieg die Statthalter der germanischen Provinzen häufig führte. Census und Finanzverwaltung, damit auch das gesamte Steuerwesen, unterstanden auch weiterhin dem Procurator von Gallien (Sitz: Trier). Die Hauptstädte der beiden Provinzen und Sitze der Statthalter blieben in Köln und Mainz, wo sich auch das Oberkommando der beiden Heere befunden hatte.
Domitian und seine Berater hatten scheinbar schnell erkannt, dass der Wert der vertraglichen Beziehungen zu den germanischen Stammeseliten bei ausreichender Stärke der römischen Grenztruppen nicht hoch einzustufen war. Ein aktives Eingreifen in innergermanische Konflikte im Sinne einer Schutzmacht stand nie zur Diskussion: Als die Cherusker ein Jahr nach dem Chattenkrieg Domitians von diesen bedrängt Rom um Hilfe baten, erhielten sie eine abschlägige Antwort. Danach fanden nahezu keine erkennbaren diplomatischen Aktivitäten jenseits des Limes statt. In Rom verfügte die Zentrale bald kaum noch über aktuelle Informationen hinsichtlich der Verhältnisse im rechtsheinischen Germanien mehr, so dass man zu Beginn der Markomannenkriege (166-172) diesbezüglich völlig ahnungslos war. Wohl noch während der Regierungszeit Domitians bricht der Zufluss römischer Funde nach Niedersachsen vor dem Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. ab.
In der Außen- und Militärpolitik ist (in der Praxis) Tiberius als Vorbild Domitians erkennbar. Dieser setzte die Politik, die ihm in Senatskreisen größte Vorwürfe einbrachte, fort, nämlich nur dann Kriege zu führen, wenn sie unumgänglich waren, ansonsten aber die Grenzsicherung zu verstärken.
Literatur
- Jahn, Ralf G.: Der Römisch-Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Diss. Bonn. Bonn 2001.
Vorgänger: Titus (79 - 81)
|
Römische Kaiser
|
Nachfolger: Nerva (96 - 98)
|