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deutsche wiedervereinigung

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Deutsche Wiedervereinigung

Nach dem Fall der Mauer am 9. November in Berlin und an der innerdeutschen Grenze im Jahre 1989 konnte die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 vollzogen werden. Verfassungsrechtlich handelte es sich um den Beitritt der Gebiete der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Man spricht daher auch vom so genannten "Beitrittsgebiet".

Die Wiedervereinigung wurde durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag, der am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet wurde, ermöglicht, in dem die 4 Siegermächte des 2. Weltkrieges ihre Kontrolle aufgaben und die Bundesrepublik Deutschland im Gegenzug formal die Oder-Neiße-Linie als ihre Ostgrenze anerkannte.

Table of contents
1 Begriffliches
2 Die Deutschlandpolitik von BRD und DDR
3 Die Einheit
4 Nach der Wiedervereinigung

Begriffliches

Der Begriff Vereinigung anstelle von Wiedervereinigung wird von manchen als zutreffender angesehen, was mit der Frage zusammenhängt, ob man die DDR als eigenständigen Staat oder als Teil Deutschlands betrachtet. Kritiker betonen hingegen oft, dass es sich rechtlich um einen Beitritt handelte. Entschiedene Gegner der Wiedervereinigung, darunter auch die Kommunisten, sprechen polemisch von einer Annexion oder von einer Zwangsvereinigung.

Die Deutschlandpolitik von BRD und DDR

1949?1961

Bundesrepublik Deutschland

Die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland ging bei ihrer Konzeption des Grundgesetzes davon aus, dass das 1945 besiegte Deutschland als Staats- und Völkerrechtssubjekt nicht untergegangen war. Man ging dabei von dem Staatsgebiet vom 31. Dezember 1937 aus, d.h. vor dem Anschluss Österreichs oder der Sudetengebiete unter Adolf Hitler. Dies wird vor allem im Artikel 116 des Grundgesetzes deutlich, in dem die Staatsangehörigkeit wie folgt definiert wird: "(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat."

Diese Vorgabe brachte es mit sich, dass die neugegründete Bundesrepublik eine große Anzahl an potentiellen Staatsbürgern hatte, die am neuen Staat nicht teilnehmen konnten. Daher wurde auch das Ziel der 'Wiedervereinigung' als eines der wichtigsten Aufgaben der Bundesrepublik angesehen, wie bereits aus den ersten beiden Sätzen der Präambel des Grundgesetzes erkennbar ist: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das deutsche Volk [?], um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war."

Die Grundgesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland konnten sich dabei auf diverse Vorgaben durch die 4 alliierten Siegermächte stützen, so etwa auf die Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 und vor allem auf das Potsdamer Abkommen, aus welchen deutlich hervorgeht, dass ein Fortbestehen von Deutschland als Ganzem beabsichtigt war und dass sich die 4 Mächte solange Entscheidungsgewalt in bezug auf Gesamtdeutschland vorbehalten wollten, bis ein Friedensvertrag erstellt worden sei. Dieser hier angesprochene Vier-Mächte-Status wurde von den Siegermächten auch bis zur Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages nicht angetastet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in bezug auf die Wiedervereinigung aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland war die ebenfalls in der Präambel des Grundgesetzes formulierte Zielsetzung, dass "das gesamte deutsche Volk" aufgefordert bleibe, "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." Hierauf stützte sich die Regierung Adenauers und begründete auch damit stets sein Bemühen um eine möglichst weitgehende Westintegration der Bundesrepublik, da er die Möglichkeit für Freiheit und freie Selbstbestimmung nur durch verstärkte und institutionalisierte Zusammenarbeit mit Westeuropa gegeben sah. Eine Wiedervereinigung Deutschlands durch eine kommunistische Diktatur lehnte er ab.

Die Oppositionsparteien SPD und FDP äußerten bis gegen Ende der 50er Jahre stets Bedenken gegen diese Politik der Einbindung in den Westen, da sie dadurch die Chancen auf eine Wiedervereinigung erheblich vermindert sahen. Ihre Vorstellung sah eher eine Herauslösung eines wiedervereinigten Deutschlandes aus der internationalen Bipolarität vor. Allerdings konnten sie sich mit dieser Idee nicht durchsetzen, da die Bundesregierung und auch die Mehrheit der Westdeutschen befürchteten, dass ein neutralisiertes Gesamtdeutschland leicht in Abhängigkeit von der Sowjetunion geraten könnte. Daher lehnte Adenauer auch die sowjetischen Vorschläge der Stalin-Noten 1952 ab.

Da die Bundesrepublik - im Gegensatz zur DDR - eine freiheitliche Demokratie war, ging sie davon aus, auch für die Deutschen in der DDR zu sprechen (Alleinvertretungsanspruch.

DDR

Die DDR erhob mit ihrer Verfassung den Anspruch für das gesamte deutsche Volk zu sprechen: "[?] hat sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben. Artikel 1: (1) Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, sie baut sich auf den deutschen Ländern auf. (2) Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den Bestand und die Entwicklung des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit wesentlich sind; [?]." Auch bei der DDR klingt es so, als ob eine Wiedervereinigung gar nicht nötig sei, da ja das gesamte Volk sich eben diese Verfassung gegeben habe. Der Unterschied zu den Formulierungen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland besteht jedoch darin, dass dort offen das Problem angesprochen wird, dass nicht alle an der Erstellung der Verfassung teilhaben konnten. Doch auch die DDR-Verfassung verschweigt das Problem der beiden deutschen Staaten nicht, sondern weist - wenn auch dezenter - daraufhin, wenn in Artikel 1 zu lesen ist, dass es "nur eine deutsche Staatsangehörigkeit" gebe.

Deutlich wird jedoch, dass sich die DDR seit ihrer Gründung als legitimer Nachfolgestaat des 1945 besiegten Deutschen Reiches ansah, also keinesweg wie ein Provisorium, das für eine Übergangszeit Bestand haben sollte, wie dies die Bundesrepublik in ihrer Präambel des Grundgesetzes für sich deutlich machte. Dieser Anspruch der DDR zeigt sich auch darin, dass man stets betonte, dass die eigene Staatsform und -ordnung auch grundlegend für ein wiedervereintes Deutschland sein müsse.

Nach der Ablehnung der Stalin-Noten durch den Westen kam es jedoch in der DDR im Laufe der 50er Jahre zu einer Umorientierung. Das Deutsche Reich wurde nun als seit 1945 untergegangen angesehen und die Existenz zweier deutscher Staaten als Nachfolgeorganisationen wurde immer mehr betont. So versuchte man beispielsweise die völker- und staatsrechtliche Anerkennung durch die Bundesrepublik zu erhalten, was diese jedoch verweigerte.

Ihr Konzept einer Wiedervereinigung sah von nun an eine Staatenverbindung in Form einer mehr oder weniger lockeren Konföderation vor, wobei der Sozialismus als tragendes Fundament gelten sollte.

1961?1969

Bundesrepublik Deutschland

Nach dem Bau der Mauer im Jahre 1961 setzte sich vermehrt in Westdeutschland die Meinung durch, dass man mit Rücksicht auf die dort lebenden Deutschen mehr auf die DDR - d.h. eigentlich auf deren Staatsführung, weil man an die Menschen selbst kaum herankommen konnte -, zugehen müsse. Ziel war es dabei durch eine Intensivierung der Kontakte das Bewusstsein einer gemeinsamen Nationalität bei den Menschen wachzuhalten.

Eine Folge dieses Wandels war, dass man nicht nur den Status quo akzeptierte, sondern auch vermehrt darüber diskutierte, ob man die DDR als eigenen Staat anzuerkennen habe. Eine andere Folge war, dass man vermehrt dazu überging mit Ostblockstaaten bilaterale Verträge zu schließen, in denen ein gegenseitiger Gewaltverzicht im Vordergrund stand.

Somit zeichnet sich diese Phase der Politik durch den Versuch aus, Feindschaften, Vorurteile und Ängste langsam und vorsichtig abzubauen, ohne dabei auf irgendwelche Ansprüche zu verzichten. Allerdings wurde immer deutlicher, dass die Idee einer Deutschen Einheit immer mehr in die Zukunft verlagert wurde.

DDR

Auch in der DDR war man immer deutlicher von der Idee einer Deutschen Einheit abgekommen, nachdem nicht nur alle vorherigen Angebote einer Konföderation als sozialistischer Staatenbund gescheitert waren, sondern auch in gewisser Weise Adenauers Magnet-Theorie immer mehr Wirkung zeigte. Nicht umsonst hatte man 1961 die Mauer bauen zu müssen geglaubt, um die massenhafte Fluchtbewegung zu bremsen.

1967 legte man per Gesetz eine eigene Staatsbürgerschaft für DDR-Bürger fest. Bereits ein Jahr später, 1968, formulierte man in diesem Sinne eine neue Verfassung, in der man den Wunsch äußerte, die vom "Imperialismus" aufgezwungene Teilung Deutschlands durch langsame "Annäherung" bis hin zur Wiedervereinigung zu beseitigen.

Auch bei der DDR-Staatsführung setzte sich jedoch deutlich erkennbar in diesen Jahren die Überzeugung durch, dass man eine friedliche Koexistenz anstreben müsse und dass es eben zwei Staaten auf deutschem Boden gebe, einen sozialistischen und einen kapitalistischen. Das bedeutete also zwar klare Abgrenzung, aber auch die Möglichkeit eines Aufeinanderzugehens.

Das Zwei-Staaten-Konzept (1969?1982)

Bundesrepublik Deutschland

Als im Jahre 1969 eine neue Koalition, gebildet aus SPD und FDP unter Bundeskanzler Willy Brandt, die Regierung übernahm, änderte sich die Ostpolitik immer deutlicher. Die sozial-liberale Koalition zeigte von Anfang an ihre Bereitschaft zur Anerkennung der DDR als zweiten deutschen Staat. Deutlich wurde dies auch in dem 1972 geschlossenen Grundlagenvertrag, in dem die Bundesrepublik ihren Alleinvertretungsanspruch aufgab und zum Prinzip einer Gleichberechtigung überging mit dem Ziel einer Normalisierung der Beziehungen. Allerdings bedeutete dies nicht die völkerrechtliche Anerkennung der DDR als souveräner Staat, d.h. eine eigene Staatsbürgerschaft der DDR wurde beispielsweise weiterhin bestritten. Vielmehr wurde eine Art Sonderstatus für beide 'Staaten' heraufbeschworen (Zwei-Staaten-Konzept). Nachwievor sah man es als Aufgabe im Hinblick auf die Zukunft an, die Einheit der Nation - wie im Grundgesetz formuliert - zu wahren.

DDR

Die DDR versuchte seit Beginn der 70er Jahre ihr schon seit längerer Zeit vertretenes Konzept von den zwei deutschen Staaten durch eine Zwei-Völker-Theorie zu ergänzen. Damit wollte man den Anspruch auf völkerrechtliche Anerkennung unterstreichen. Diese Sicht wurde auch von der UdSSR sowie von den meisten Ostblockstaaten geteilt.

Von dieser Position her bedeutete der Grundlagenvertrag von 1972 zwar einen Teilerfolg, jedoch blieb das Hauptanliegen - die Anerkennung der DDR als souveränen Staat - eigentlich unerfüllt. Allerdings scheute sich Erich Honecker nicht, im Widerspruch zum Vertragstext zu betonen, der Grundlagenvertrag erkenne die völkerrechtliche Souveränität der DDR an.

Die Ära Kohl-Gorbatschow-Honecker (1982?1989)

Die Amtszeit Helmut Kohls

Obwohl Helmut Kohl die Deutschlandpolitik seiner Vorgänger lediglich fortführen wollte und auch fortführte, indem er sich zu den bestehenden Verträgen bekannte und eine Zusammenarbeit mit der DDR auf den bisher gelegten Fundamenten anstrebte, zeichnete sich doch bald ein Wandel ab. Zum Einen forcierte er deutlich die europäische Einigungspolitik, allerdings nicht ohne immer wieder zu betonen, dass zu einer wirklichen Einigung auch die Lösung der Deutschlandfrage zähle. Zum Anderen intensivierte er den Kontakt zur DDR durch vertragliche Vereinbarungen, wobei seine Regierung gleichzeitig verdeutlichte, dass sie gemäß dem Grundgesetz der Freiheit erste Priorität einräumte. Dies sollte eine Verdeutlichung der Unterschiede beider deutschen Staaten bewirken: auf der einen Seite Freiheit, auf der anderen Seite Unfreiheit; auf der einen Seite Einhaltung der Menschenrechte, auf der anderen Seite Verletzungen der Menschenrechte ? Trotz dieser klaren Position, die Helmut Kohl und seine Minister der DDR gegenüber einnahmen, erreichte sie durch zahlreiche Vertragsverhandlungen und persönlichen Telefonaten mit Führungsmitgliedern eine Intensivierung der Beziehungen. In den angestrebten Verträgen standen zumeist menschliche Belange im Vordergrund des Interesses der westdeutschen Regierung. So wurde beispielsweise der Ausbau der zwischenmenschlichen Beziehungen (etwa Familienzusammenführungen) erreicht. Auch konnte man 1984 die DDR-Führung dazu bewegen die so genannten Todesautomaten an der innerdeutschen Grenze zu beseitigen. Als Gegenleistung gewährte man oftmals Kredite, die die wirtschaftlich angeschlagene DDR dringend benötigte.

Mit dem Amtsantritt Michail Gorbatschows als Generalsekretär der KPdSU im Jahre 1985 begann eine neue Phase des Kalten Krieges, die auch große Wirkung auf den Prozess der Wiedervereinigung von Deutschland hatte. Die Politik Gorbatschows trug wesentlich zur Entspannung weltweit, aber auch innerdeutsch bei. Ein Beispiel dafür ist der Besuch von Erich Honecker im September 1987, während dessen ein Abkommen zum Austausch auf dem Gebiet des Strahlenschutzes, ein gemeinsames Umweltschutzabkommen und generell eine Vereinbarung über Zusammenarbeit auf wissenschaftlich-technischem Gebiet geschlossen wurde.

Bis zum Jahre 1989 intensivierte die Regierung Kohl weiterhin ihre Bemühungen um vertragliche Vereinbarungen mit der DDR.

Die Amtszeit Erich Honeckers

Die Zeit zwischen 1982 bis 1989 war für die DDR in erster Linie durch die immer prekärer werdende wirtschaftliche Situation gekennzeichnet. Immer deutlicher wurde, dass das Staatssystem der DDR den gesellschaftlichen und politischen, aber auch den wirtschaftlichen Ansprüchen ihrer Bürger nicht gerecht werden konnte. Nicht zufällig fällt in diese Periode eine deutliche Zunahme von Bürgerrechtsgruppen, die mehr politische Freiheiten forderten, und auch von Menschenrechtsgruppen, die die Einhaltung der Menschenrechte einklagten. Allerdings nahm gleichzeitig die Zahl derjenigen zu, die nicht an eine Reformfähigkeit ihrer Regierung, ja ihrer Staates mehr glaubten und ihren Protest und Unwillen durch das Stellen von Ausreiseanträgen oder gar durch Flucht in die Bundesrepublik unter Beweis stellten.

Angetrieben wurden all diese inneren Entwicklungen durch äußere Katalysatoren. An erster Stelle muss hierbei natürlich die Reformpolitik von Glasnost und Perestroika von Michail Gorbatschow genannt werden.

Die DDR-Regierung versuchte der sich allmählich abzeichnenden Zuspitzung der Situation einerseits durch Entgegenkommen zu begegnen, beispielsweise durch eine Erleichterung der Reisebedingungen für Verwandtschaftsbesuche in die Bundesrepublik. Andererseits reagierte man auch mit extremer Beharrung in alten Mustern. Signifikante Beispiele dafür sind das Festhalten an der Mauer und das unbeirrbare Planen der Feier zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung, während die Protestdemonstrationszüge schon um die Ecke zogen. Gerade Letzteres schürte noch mehr den Unwillen der Bevölkerung, die ihren Staat reformiert und nicht verherrlicht sehen wollten.

Die Situation eskalierte durch eine exponential ansteigende Zahl an Menschen, die etwa durch eine Flucht in bundesdeutschen Botschaften in Ungarn, der Tschechoslowakei oder Polen eine Einreise in die Bundesrepublik erzwingen wollten und letztendlich erzwangen. Andere flohen illegal über die Grenzen Ungarns nach Österreich, bevor am 11. September 1989 Ungarn offiziell seine Grenzen öffnete. In der DDR selbst kam es immer mehr zu Demonstrationen, vor allem die so genannten Montagsdemonstrationen in Leipzig gewannen ungeheuren Zulauf.

Trotz allem lud die DDR-Regierung unter Erich Honecker zur Feier zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR ein. Gewaltsam wurden die Demonstrierenden von der offiziellen Parade ferngehalten. Selbst Gorbatschow deutete mit dem Hinweis auf das alte Sprichwort "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!" (genauer übersetzt: "Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, für den werden sie gefährlich", noch wörtlicher: "Gefährlich ist es für den, der nicht auf das Leben reagiert") an, dass er Reformen in der DDR für längst überfällig hielt, aber auch gleichzeitig, dass von der UdSSR keine Hilfe zu erwarten sei. Die Folge war, dass sich die Parteiführung der SED darüber zerstritt, wie denn nun vorzugehen sei. Letztendlich wurde Honecker im Oktober durch Egon Krenz, der die Funktionen Honeckers in Partei und Staat übernahm, ersetzt. Im November kam es zur Bildung eines neuen Politbüros und zur Wahl von Hans Modrow zum Vorsitzenden des Ministerrates. Allerdings brachten die jeweiligen Veränderungen und Reformen keine wirkliche Beruhigung.

Den in der turbulenten Folgezeit entscheidenden Schritt brachte die Freigabe der Reisemöglichkeiten für die DDR-Bürger am 9. November 1989. Durch die damit verbundene Maueröffnung war eine Umkehrung des Reformweges nicht mehr möglich.

Die Einheit

Ursachen für den Zusammenbruch der DDR

1989/1990: Die Wende und Wiedervereinigung

Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland

Anlässlich der Ereignisse an der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 bezogen auch die ehemaligen Siegermächte bald Stellung; dabei betonten die USA, dass die Deutschen selbst über ihre Einheit zu entscheiden hätten, dass jedoch nach einer Wiedervereinigung Gesamtdeutschland der (NATO) und der (EG) angehören müsse. Die UdSSR bestand zunächst auf der Bildung eines neutralen Deutschlands und warnte die beiden deutschen Staaten gemeinsam mit Frankreich vor Alleingängen.

Auch Polen meldete sich zu Wort und forderte die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze ein.

Helmut Kohl nutzte daraufhin die Gunst dieser Stunde nach der Maueröffnung und präsentierte am 28. November 1989 in Form eines Zehn-Punkte-Programms einen Vorschlag für eine Konföderation zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Das Ganze sollte dabei in den gesamteuropäischen Einigungsprozess integriert sein mit dem letztendlichen Ziel einer vollständigen Wiedervereinigung Deutschlands. Dabei versuchte er sich an den jeweiligen Vorgaben der ehemaligen Siegermächte zu orientieren. Dass er dabei zunächst die Frage der Anerkennung der polnischen Westgrenze offenließ, sorgte für einige Irritationen, auch in der Bundesrepublik selbst.

Allerdings forcierte die Kohl-Regierung nicht nur ihre innerdeutschen Bemühungen, sondern war auch darauf bedacht, sich Rückendeckung von außen zu sichern. Am wirkungsvollsten und erstaunlichsten zugleich war sicherlich, dass es Helmut Kohl gemeinsam mit seinem Außenminister Hans-Dietrich Genscher im Februar 1990 gelang, der UdSSR die Aussage abzuringen, dass sie sich unter bestimmten Umständen einer Wiedervereinigung nicht in den Weg stellen würde.

Aus Sicht der DDR

Von vielen Menschen in der DDR ist die Wiedervereinigung herbeigesehnt worden. Durch ihr Drängen nach Westdeutschland und durch ihre Demonstrationen erreichten sie die Öffnung der Mauer, die in Berlin zu einem Freudenfest für alle beteiligten Ost- und Westberliner wurde.

Durch den Fall der Mauer prallten jetzt aber beide deutschen Staaten ungeschützt aufeinander. Vor allem das extreme Gefälle im Lebensstandard zwischen beiden deutschen Staaten führte dabei zu neuen Problemen.

Die Ereignisse entwickelten eine Eigendynamik, und da die Staatspartei SED noch weniger als zuvor die Wünsche der Menschen nach einer Wiedervereinigung und Reformen widerspiegelte, begann ihr innerer Zerfall. Als ein Anzeichen dafür kann der durch die Mitglieder der SED erzwungene Rücktritt von Egon Krenz im Dezember 1989 gelten. Die Parteiaustritte häuften sich. Anfang des Jahres 1990 kam es zu einer Neuausrichtung der politischen Zielsetzung der SED, verbunden mit einer Umbenennung in PDS.

Bei den Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990 errang ein Wahlbündnis aus CDU, DSU und Demokratischem Aufbruch, welches sich Allianz für Deutschland nannte, eine deutliche Mehrheit, sodass die gemeinsam mit der Ost-SPD gebildete große Koalition unter Lothar de Maizière (CDU) einer Vereinigung mit der Bundesrepublik entgegen arbeiten konnte.

Verhältnis von BRD und DDR zu den Siegermächten

Nach dem Muster Zwei-plus-Vier waren bereits am 14. Februar 1990 die 2 Außenminister der beiden deutschen Staaten und die 4 Außenminister der ehemaligen Siegermächte zusammengekommmen, um den äußeren Rahmen der Wiedervereinigung zu besprechen. Dabei ging es in erster Linie um die Sicherheit der deutschen Nachbarn. In weiteren Folgekonferenzen einigte man sich darauf, den Deutschen den Modus der Wiedervereinigung zu überlassen. Allerdings wurde verlangt, dass eine formale Anerkennung der Westgrenze Polens erfolgte. Das Problem der Einbindung eines deutschen Gesamtstaates in wie auch immer geartete Bündnissysteme blieb jedoch bestehen.

Die ab März 1990 einsetzenden gemeinsamen Verhandlungen der neuen DDR-Führung und der Kohl-Regierung führten zunächst zur Unterzeichnung eines Staatsvertrags über eine gemeinsame Wirtschaft-, Sozial- und Währungsunion am 18. Mai 1990, die am 1. Juli 1990 in Kraft trat.

Nach diesem ersten Teilerfolg gelang es Helmut Kohl bei einem Besuch in der UdSSR, die Zustimmung zur vollen Souveränität zu erlangen. Damit hatte das neue Deutschland das Recht, frei über seine Bündniszugehörigkeit zu entscheiden und konnte somit die Forderungen der USA erfüllen, sodass einer Wiedervereinigung nun nichts mehr im Wege stand.

Am 31. August 1990 folgte der so genannte Einigungsvertrag, der durch eine "Vereinbarung zur Durchführung und Auslegung" vom 18. September 1990 ergänzt wurde. Hierin wurden die Modalitäten des Beitritts der fünf damals neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland laut dem damaligen Wortlaut des Artikels 23 des Grundgesetzes geregelt.

Notwendigerweise vorausgegangen war die Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 19. September 1990.

Am 3. Oktober 1990 wurden die beiden deutschen Staaten (wieder)vereint und die DDR hörte hiermit auf zu existieren.

Einigungsvertrag

Nach der Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung erfolgte am 14. Oktober 1990 die Neugründung der fünf Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die DDR hörte zwar auf zu existieren ? es gab nur noch einen deutschen Staat. Doch in den Köpfen einiger Menschen existierte die DDR weiter, zum Teil lebte der Ost-West-Konflikt wieder neu auf.

Im Beitrittsgebiet herrschte nach der Wiedervereinigung und der DM-Einführung wirtschaftlicher Notstand. Die DDR-Betriebe waren aufgrund ihrer durch fehlender Investitionen veralteten Technik und der sehr personalintensiven Fertigung von heute auf morgen nicht mehr wettbewerbsfähig.

Das größte Problem stellte dabei der Zusammenbruch des Ostblocks insgesamt dar: Wichtigster Handelspartner für die DDR-Wirtschaft war bislang die UdSSR. Nach der Einführung der DM in den neuen Bundesländern und insbesondere nach dem Zusammenbruch der UdSSR brach dieser Markt jedoch vollkommen zusammen.

Die Betriebsstätten der Kombinate, zu denen alle Betriebe zählten, waren häufig standörtlich stark zerrissen, dabei waren auch die Gebäude und Produktionsmittel verschlissen und nicht mehr zeitgemäß. Der Strukturwandel bewirkte die Entflechtung der Großkombinate, die Umwandlung in Mittel- und Kleinbetriebe und die Stillegung vieler Produktionsstätten. Unternehmen aus der BRD hatten meist kein Interesse daran, Betriebe zu übernehmen und auch weiter zu führen. Oft wurden Betriebe auch billig erworben, nur um den möglichen Konkurrenten auszuschalten. Der Arbeitsplatzabbau war enorm. Die Einbindung der sächsischen Landwirtschaft in die Agrarpolitik der EU führte zur Stilllegung von landwirtschaftlicher Nutzfläche. In vielen Dörfern und Städten entstanden mit der Stillegung von Betrieben Industriebrachen. In einigen Regionen brachen ganze Wirtschaftszweige weg, da diese unter markwirtschaftlichen Bedingungen gegenüber der Konkurrenz nicht mithalten konnten. Zu hoher Aufwand an Arbeitskräften bei gleichzeitig nicht zu konkurrenzfähigen Preisen produzierten Erzeugnissen, hergestellt mit veralteten Maschinen. So ging 1991 mit der Einstellung des Erzbergbaus eine lange Tradition zu Ende. Für die arbeitslos gewordenen Menschen gab es kaum Alternativen, da neue Investitionen nicht ausreichend neue Arbeitsplätze schufen.

Der aus diesen Gründen verursachte völlige Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft führten zu einem Migrationsprozess von historischen Ausmaßen. Alleine bis 1991 kehrten 2 Millionen ehemaliger DDR-Bürger ihrer alten Heimat den Rücken und wanderten in den goldenen Westen aus.

Doch dort waren sie nicht nur willkommen. Schon 1993 zeigte der bekannte TV-Autor Wolfgang Menge ("Ein Herz und eine Seele") in der Fernsehreihe "Motzki" die bevorstehenden Probleme zwischen altem Osten und altem Westen auf.

Arbeitslosigkeit und Lohndumping ist eines dieser Problemthemen. Insbesondere ältere Arbeitnehmer aus den mittleren Lohngruppen wurden durch billigere Arbeitskräfte aus Südeuropa aber auch aus Ostdeutschland ersetzt. Insbesondere grenznahe Großstädte wie Lübeck, Braunschweig, Göttingen oder Coburg waren für Berufspendler aus der ehemaligen DDR attraktiv.

Im Osten erregt der millionenfache Arbeitsplatzabbau und Sozialabbau, ausgelöst durch die im freien Markt teilweise nicht mehr konkurrenzfähigen Produkte, die Folgen der maroden DDR-Wirtschaft, aber auch durch Treuhandanstalt, Regierung und einigen Privatfirmen, bei vielen Unmut. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im Durchschnitt etwa doppelt so hoch wie in Westdeutschland.

Auch zeigte sich, dass die Mauer in den Köpfen nicht von einem auf den anderen Tag verschwinden konnte. Anfängliche Einheitseuphorie war einer gewissen Ernüchterung gewichen.

Siehe auch: Ost-West-Konflikt, zur linken Kritik: Großdeutschland, Ostalgie

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