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der untergang des abendlandes

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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte ist das kulturphilosophische Hauptwerk von Oswald Spengler mit dem er das moderne Bild der Geschichte nachhaltig beeinflusst hat. Der erste Band (Gestalt und Wirklichkeit ) wurde 1918 in Wien herausgegeben, der zweite Band (Welthistorische Perspektiven) 1922 in München.

Mit dem Untertitel des Buches wird die von Spengler zugrunde gelegte These deutlicher zusammengefasst als durch den beunruhigende Haupttitel: Weltgeschichte als zyklisches Werden und Vergehen von Kulturen und Zivilisationen, unabhängig und isoliert voneinander, folglich ohne Möglichkeit des kulturellen Austauschs ? womit Spengler im Widerspruch zur linearen Geschichtstheorie und dem daraus abgeleiteten stetig zunehmenden Entwicklungsstand der Menschheit steht.

Der Haupttitel hingegen verweist mehr auf einen griffigen und publikumswirksamen Teilaspekt des Themas, der sich aus der Morphologie der Weltgeschichte notwendig ergebenden Zukunft des eigenen kulturellen und zivilisatorischen Umfelds. Angeregt zu dem Titel wurde Spengler bereits 1912 durch Otto Seecks Buch Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 1895ff.

Table of contents
1 Die These
2 Prognose und Irrtum
3 Synopse
4 Ausgaben
5 Literatur

Die These

Spengler versteht Kulturen als große Organismen, die den bei allen ausgebildeteren Organismen vorhandenen Entwicklungsstufen Jugend, Erwachsensein und Alter, oder Blüte, Reife und Verfall unterliegen (Morphologie), ein Ablauf, der bei den kulturellen Organismen ebenso zwangsläufig sei wie bei den biologischen, und aus dem es somit kein Entrinnen geben kann (Determinismus).

Die aus der Biologie ausgeliehenen Begriffe übersetzt Spengler für seine Zwecke mit

Dieser immer wieder grundsätzlich gleiche Ablauf (Homologie) lässt es nach Spengler zu, strukturell gleichzeitige Phasen verschiedener Kulturen zu definieren und nebeneinander zu stellen ? so zum Beispiel seine abendländische Gegenwart oder jüngere Vergangenheit von Napoleon bis zum Ende der Wilhelminische Epoche und dem Ersten Weltkrieg, in dem der erste Teil des Werks entstand, gegenüber der Spätzeit der griechisch-römischen Antike nach Alexanders Eroberungszügen bis zum Aufkommen des Cäsarismus auf der anderen Seite: ein Vergleich, bei dem sich die Zukunft der abendländischen Kultur ? Niedergang, Verfall, Erlöschen ? von Anfang an suggestiv aufdrängt.

Nach Spengler gab es bislang acht Kulturen:

  1. die ägyptische (einschließlich der kretisch-minoischen),
  2. die babylonische,
  3. die indische,
  4. die chinesische,
  5. die antike (apollinisch genannte griechisch-römische),
  6. die arabische (magische, inklusive der frühchristlichen und byzantinischen, die ihre Frühzeit unter dem umgestürzten Baum der antiken Kultur verbringen musste, und daher eine Pseudomorphose erlebt, eine Truggestalt annimmt, die irgendwann bewusst abgeworfen wird ? in diesem Fall durch die Araber),
  7. die abendländische (faustische, seit etwa 900, die derzeit in das Stadium der Zivilisation übergeht) und
  8. die mexikanische,
sowie mit der russischen eine weitere, im Entstehen begriffene, die das gleiche Problem mit seiner Entfaltung habe wie die arabische, sich aber bereits mit der petrinischen Phase ihrer Geschichte, also mit Peter dem Großen von der Überlagerung durch die abendländische Kultur befreit habe.

Großen Einfluss hatte Spengler mit seinen Ideen auf Arnold J. Toynbee und ? mit einem wesentlich kritischeren Abstand ? P. A. Sorokin, während Spengler selbst, wie aus seinem Nachlass ersichtlich, in den letzten Lebensjahren seinen Ansatz soweit überdachte, dass er in seinen Schlussfolgerungen gemäßigter wurde, das (unhaltbare) Leugnen kultureller Kommunikation zwischen den Kulturen aufgab und damit eine Entwicklung der Menschheit als Ganzes, für die er nun ein vierstufiges Konzept von Mutation und Differentiation sah, akzeptierte.

Prognose und Irrtum

Der erste Band des Werkes wurde 1917 fertiggestellt und sollte dem Ziel dienen, dem Deutschen Reich nach dem Sieg im Weltkrieg den Weg in eine große imperiale und imperialistische Zukunft zu zeigen. Aber auch nach der Niederlage noch sieht Spengler in Preußen den Staat, der den Vergleich mit dem Römischen Kaiserreich aushält, wenn es darum geht, die (in diesem Fall abendländische) Kultur nach ihrem Übergang in die Zivilisation in einem Imperium zusammenzuhalten ? ein Irrtum, der nicht überraschen kann, angesichts eines preußisch-konservativen Hintergrunds, der in dem Dreiklang Pflicht, Ordnung, Gerechtigkeit Spenglers Beifall findet, und der in völligem Gegensatz zum liberal-parlamentarischen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit steht, den Spengler zeitlebens abgelehnt hat.

Knapp Hundert Jahre nach dem Beginn der Arbeiten an diesem Buch stellt sich die Frage nach der Zukunft der abendländischen Kultur in einem anderen Rahmen. Wenn man Spenglers Ansatz folgen will, kann die Frage, wer in der Lage ist, die abendländische Zivilisation mit einem imperialistischen Ansatz zusammenzuhalten, als beantwortet gelten.

Der nächste Schritt in der von Spengler prognostizierten Entwicklung ist die Herausbildung einer für diese Zivilisation spezifischen Art des Cäsarismus, die sich nach seiner Beschreibung immer dann ankündigt, wenn bei der Auswahl der politischen Führung nicht mehr Programme und Inhalte, sondern nur noch Personen, ihr Charisma und die Wirkung ihrer öffentlichen Auftritte zählen.

Synopse

Bei den folgenden Angaben handelt es sich inhaltlich um Zitate aus dem Buch

I. Gleichzeitige Geistesepochen

Frühling: Landschaftlich-intuitiv. Mächtige Schöpfungen einer erwachenden traumschweren Seele. Überpersönliche Einheit und Fülle

1. Geburt eines Mythos großen Stils als Ausdruck eines neuen Gottgefühls. Weltangst und Weltsehnsucht

  • Indische Kultur: 1500 - 1200 v. Chr; Religion des Veda; Arische Heldensagen.
  • Antike Kultur: 1100 - 800 v. Chr; hellenisch-italische demetrische Volksreligion, olympischer Mythos; Homer, Herakles-, Theseussage.
  • Arabische Kultur: 0- 300; Urchristentum, Mandäer, Marcion, Gnosis, Synkretismus (Mithras, Baale); Evangelien, Apokalyptik, christliche, mazdäische, heidnischen Legenden.
  • Abendländische Kultur: 900- 1200; Germanischer Katholizismus, Edda (Balder), Bernhard von Clairvaux, Joachim von Fiore, Franz von Assisi; Volksepos (Siegfried), Ritterepos (Gral), abendländische Heiligenlegende.

2. Früheste mystisch-metaphysische Gestaltung des neuen Weltblicks. Hochscholastik

  • Indische Kultur: In den ältesten Teilen der Veden enthalten.
  • Antike Kultur: älteste, nicht schriftliche Orphik, etruskische Disziplin, Nachwirkung: Hesiod, Kosmogonien.
  • Arabische Kultur: Origenes (? 254), Plotin (? 269), Mani (? 276), Jamblich (? 330); Awest, Talmud, Patristik.
  • Abendländische Kultur: Thomas von Aquin (? 1274), Johannes Duns Scotus (? 1308), Dante Alighieri (? 1321), Meister Eckhart (? 1329); Mystik und Scholastik.

Sommer: Reifende Bewusstheit. Früheste städtisch-bürgerliche und kritische Regungen

3. Reformation: Innerhalb der Religion volksmäßige Auflehnung gegen die großen Formen der Frühzeit

  • Indische Kultur: Brahmanas, älteste Elemente der Upanishaden (10./9. Jahrhundert v. Chr).
  • Antike Kultur: Orphische Bewegung, Dionysosreligion, Religion des Numa (7. Jahrhundert v. Chr).
  • Arabische Kultur: Augustinus von Hippo (? 430), Nestorianer (um 430), Monophysiten (um 450), Mazdak (um 500).
  • Abendländische Kultur: Nikolaus von Kues (Cusanus) (? 1464), Jan Hus (? 1415), Girolamo Savonarola, Andreas Bodenstein (Karlstadt), Luther, Calvin (? 1564).

4. Beginn einer rein philosophischen Fassung des Weltgefühls. Gegensatz idealistischer und realistischer Systeme

  • Indische Kultur: In den Upanishaden enthalten.
  • Antike Kultur: Die großen Vorsokratiker (6./5. Jahrhundert v. Chr).
  • Arabische Kultur: Byzantinische, judäische, syrische, koptische, persische Literatur des 6./7. Jahrhunderts.
  • Abendländische Kultur: Galileo Galilei, Francis Bacon, René Descartes, Giordano Bruno, Jakob Böhme, Gottfried Wilhelm Leibniz (16./17. Jahrhundert).

5. Bildung einer neuen Mathematik. Konzeption der Zahl als Abbild und Inbegriff der Weltform

  • Indische Kultur: Verschollen
  • Antike Kultur: Die Zahl als Größe (Maß), Geometrie, Arithmetik, Pythagoräer seit 540 v. Chr.
  • Arabische Kultur: Die unbestimmte Zahl, Algebra (Entwicklung unerforscht).
  • Abendländische Kultur: Die Zahl als Funktion, Analysis, Descartes, Blaise Pascal, Pierre de Fermat um 1630, Isaac Newton, Leibniz um 1670.

6. Puritanismus: Rationalistisch-mystische Verarmung des Religiösen

  • Indische Kultur: Spuren in den Upanishaden.
  • Antike Kultur: Pythagoräischer Bund seit 540 v. Chr.
  • Arabische Kultur: Mohammed (622), Paulikianer, Bilderstürmer seit 650.
  • Abendländische Kultur: Englische Puritaner seit 1620, Französische Jansenisten seit 1640 (Port Royal).

Herbst: Großstädtische Intelligenz. Höhepunkt strenggeistiger Gestaltungskraft

7. Aufklärung: Glaube an die Allmacht des Verstandes. Kultus der Natur. Vernünftige Religion

  • Indische Kultur: Sutras, Sankhya, Buddha, jüngere Upanishaden.
  • Antike Kultur: Sophisten des 5. Jahrhunderts v. Chr, Sokrates (? 399 v. Chr), Demokrit (? um 360 v. Chr).
  • Arabische Kultur: Mutaziliten, Sufismus, Nazzam, Al-Kindi (um 830).
  • Abendländische Kultur: Englische Sensualisten (John Locke), Französische Enzyklopädisten (Voltaire), Jean-Jacques Rousseau.

8. Höhepunkt des mathematischen Denkens. Abklärung der Formenwelt der Zahlen

  • Indische Kultur: Verschollen (Stellenwert, Null als Zahl)
  • Antike Kultur: Archytas (? 365 v. Chr), Platon (? 346), Eudoxos (? 355), Kegelschnitte
  • Arabische Kultur: Unerforscht (Zahlentheorie, sphärische Trigonometrie)
  • Abendländische Kultur: Leonhard Euler (? 1783), Joseph-Louis Lagrange (? 1813), Pierre-Simon Laplace (? 1827), Infinitesimalproblem

9. Die großen abschließenden Systeme der Idealismus, der Erkenntnistheorie und der Logik

  • Indische Kultur: Vedanta, Vaiçeshika, Nyaya
  • Antike Kultur: Plato (? 346 v. Chr.), Aristoteles (? 322 v. Chr)
  • Arabische Kultur: Al-Farabi (? 950), Avicenna (? um 1000)
  • Abendländische Kultur: Johann Wolfgang von Goethe, Immanuel Kant, Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Johann Gottlieb Fichte

Winter: Anbruch des weltstädtischen Zivilisation. Erlöschen der seelischen Gestaltungskraft. Das Leben selbst wird problematisch. Ethisch-praktische Tendenzen eines irreligiösen und unmetaphysischen Weltstädtertums

10. Materialistische Weltanschauung: Kultus der Wissenschaft, des Nutzens, des Glücks

  • Indische Kultur: Sankhya, Tscharvaka (Lokoyata).
  • Antike Kultur: Kyniker, Kyrenaiker, letzte Sophisten (Pyrrhon von Elis)
  • Arabische Kultur: Kommunistische, atheistische, epikureische Sekten der Abbasidenzeit, die lauteren Brüder
  • Abendländische Kultur: Jeremy Bentham, Auguste Comte, Charles Darwin, Herbert Spencer, Max Stirner, Karl Marx, Ludwig Andreas Feuerbach

11. Ethisch-gesellschaftliche Lebensideale: Epoche der Philosophie ohne Mathematik. Skepsis

  • Indische Kultur: Strömungen der Buddhazeit
  • Antike Kultur: Hellenismus, Epikur (? 270 v. Chr), Zenon von Kition (? 265 v. Chr)
  • Arabische Kultur: Strömungen im Islam
  • Abendländische Kultur: Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Sozialismus, Anarchismus, Friedrich Hebbel, Richard Wagner, Henrik Ibsen

12. Innere Vollendung der mathematischen Formenwelt. Die abschließenden Gedanken

  • Indische Kultur: Verschollen.
  • Antike Kultur: Euklid, Apollonios von Perge (um 300 v. Chr), Archimedes (um 250 v. Chr)
  • Arabische Kultur: Al-Chwarizmi (800), Ibn Kurra (850), Al-Karchi, Al-Biruni (10. Jahrhundert)
  • Abendländische Kultur: Carl Friedrich Gauß (? 1855), Augustin Louis Cauchy (? 1857), Bernhard Riemann (? 1866)

13. Sinken des abstrakten Denkertums zu einer fachwissenschaftlichen Katheder-Philosophie. Kompendienliteratur

  • Indische Kultur: Die sechs klassischen Systeme
  • Antike Kultur: Akademie, Peripatos, Stoiker, Epikureer
  • Arabische Kultur: Schulen von Bagdad und Basra
  • Abendländische Kultur: Kantianer, Logiker und Psychologen

14. Ausbreitung einer letzten Weltstimmung

  • Indische Kultur: Der indische Buddhismus seit 500
  • Antike Kultur: Der hellenistisch-römische Stoizismus seit 200
  • Arabische Kultur: Der praktische Fatalismus des Islam seit 1000
  • Abendländische Kultur: Der ethische Sozialismus seit 1900 sich verbreitend

II. Gleichzeitige Kunstepochen

Vorzeit: Chaos urmenschlicher Ausdrucksformen. Mystische Symbolik und naive Imitation

  • Ägyptische Kultur: Thinitenzeit, 2830 v. Chr ? 2600 v. Chr, Anregung: sumerisch (vorderasiatisch).
  • Antike Kultur: Mykenische Zeit, 1600 v. Chr ? 1100 v. Chr, Anregung: spätägyptisch (minoisch), spätbabylonisch (kleinasiatisch).
  • Arabische Kultur: Persisch-seleukidische Zeit, 500 v. Chr - 0, Anregung: spätantik (hellenistisch), spätindisch (indo-iranisch?).
  • Abendländische Kultur: Merowingisch-karolingische Zeit, 500 ? 900, Anregung: ?spätarabisch? (maurisch-byzantinisch).

Kultur: Lebensgeschichte eines das gesamte äußere Sein formenden Stils. Formensprache von tiefster symbolischer Notwendigkeit

I. Frühzeit: Ornament und Architektur als elementarer Ausdruck des jungen Weltgefühls: ?Die Primitiven?

  • Ägyptische Kultur: Das alte Reich, 2600 ? 2200 v. Chr.
  • Antike Kultur: Dorik, 1100 ? 650 v. Chr.
  • Arabische Kultur: Früharabische Formenwelt (sassanidisch, byzantinisch, armenisch, syrisch, sabäisch, ?spätantik?, ?altchristlich?), 0- 500.
  • Abendländische Kultur: Gotik, 900- 1500.

1. Geburt und Aufschwung. Aus dem Geiste der Landschaft erwachsende, nicht bewusst geschaffene Formen

  • Ägyptische Kultur: 4./5. Dynastie, 2550 v. Chr. - 2320 v. Chr, geometrischer Tempelstil, Pyramidentempel, Reihen von Pflanzensäulen, Reihen von Flachreliefs, Grabstatuen.
  • Antike Kultur: 11./9. Jahrhundert v. Chr, Holzarchitektur, die dorische Säule, Architrav, geometrischer (Dipylon-)Stil, Grabvasen.
  • Arabische Kultur: 1./3. Jahrhundert, kultische Innenräume, Basilika, Kuppelbau (das Pantheon als Moschee), Säulenbögen, flächenfüllende Rankenmuster, Sarkophage.
  • Abendländische Kultur: 11./13. Jahrhundert, Romanik und Frühgotik, gewölbte Dome, Strebesystem, Glasmalerei, Kathedralplastik.

2. Vollendung der frühen Formensprache. Erschöpfung der Möglichkeiten und Widerspruch

  • Ägyptische Kultur: 6. Dynastie, 2320 v. Chr. - 2200 v. Chr, Erlöschen des Pyramiden- und episch-idyllischen Reliefstils, Blüte der archaischen Bildnisplastik..
  • Antike Kultur: 8./7. Jahrhundert v. Chr, Ausgang des hocharchaischen dorisch-etruskischen Stils, Protokorinthische-altattische (mythologische) Tonmalerei..
  • Arabische Kultur: 4./5. Jahrhundert, Ausgang der bildhaften persisch-syrisch-koptischen Künste, Aufstieg der Mosaikmalerei und Arabeske.
  • Abendländische Kultur: 14./15. Jahrhundert, Spätgotik und Renaissance. Blüte und Ende von Fresko und Statue: von Giotto (Gotik) bis Michelangelo (Barock). Siena, Nürnberg. Das gotische Tafelbild von Jan van Eyck bis Hans Holbein. Kontrapunkt und Ölmalerei.

II. Spätzeit: Bildung einer Gruppe städtisch-bewusster, gewählter, von Einzelnen getragener Künste: ?Die großen Meister?

3. Ausbildung eines reifen Künstlertums

  • Ägyptische Kultur: 11. Dynastie: 2130 v. Chr.- 1990 v. Chr, zarte und bedeutende, fast spurlos verschwundene Kunst.
  • Antike Kultur: Vollendung des Tempelkörpers (Peripteros, Steinbau), die ionische Säule, Herrschaft der Freskomalerei bis Polygnot (460), Aufstieg der freien Rundplastik (?Apoll von Tenea? bis Hageladas).
  • Arabische Kultur: Vollendung des Moscheeraumes (Zentralkuppelbau, Hagia Sophia), Blüte der Mosaikmalerei, Vollendung des teppichhaften Arabeskenstils (Mschatta-Fassade).
  • Abendländische Kultur: Der malerische Baustil von Michaelangelo bis Gian Lorenzo Bernini (? 1680), Herrschaft der Ölmalerei von Tizian bis Rembrandt van Rijn (? 1669), Aufstieg der Musik von Orlando di Lasso bis Heinrich Schütz (? 1672).

4. Äußerste Vollendung einer durchgeistigten Formensprache

  • Ägyptische Kultur: 12. Dynastie: 1990 v. Chr. ? 1790 v. Chr, Pylonentempel, Labyrinth, Charakterstatuen, historische Reliefs.
  • Antike Kultur: Blüte von Athen 480 v. Chr. - 350 v. Chr, die Akropolis, Herrschaft der klassischen Plastik von Myron bis Phidias, Ausgang der strengen Fresko- und Tonmalerei (Zeuxis).
  • Arabische Kultur: Umayyadenzeit 7./8. Jahrhundert, vollkommener Sieg der bildlosen Arabeskenkunst auch über die Architektur.
  • Abendländische Kultur: Rokoko, der musikalische Baustil, Herrschaft der klassischen Musik von Johann Sebastian Bach bis Wolfgang Amadeus Mozart, Ausgang der klassischen Ölmalerei von Antoine Watteau bis Francisco de Goya.

5. Ermatten der strengen Gestaltungskraft. Auflösung der großen Form. Ende des Stils ?Klassizismus und Romantik?

  • Ägyptische Kultur: Die Wirren um 1700 v. Chr, nichts erhalten.
  • Antike Kultur: Alexanderzeitzeit, die korinthische Säule, Lysipp und Apelles.
  • Arabische Kultur: Harun al-Raschid (um 800), ?Maurische Kunst?.
  • Abendländische Kultur: Empire und Biedermeier, klassizistischer Baugeschmack, Ludwig van Beethoven, Eugène Delacroix.

Zivilisation: Das Dasein ohne innere Form. Weltstadtkunst als Gewohnheit, Luxus, Sport, Nervenreiz. Schnellwechselnde Stilmoden (Wiederbelebungen, willkürliche Erfindungen, Entlehnungen) ohne symbolischen Gehalt

1. ?Moderne Kunst?. Kunst-?Probleme?. Versuche, das Weltstadtbewusstsein zu gestalten und zu reizen. Verwandlung von Musik, Baukunst und Malerei in bloßes Kunstgewerbe

  • Ägyptische Kultur: Hyksoszeit 1675 v. Chr.- 1550 v. Chr. Nur auf Kreta erhalten: minoische Kunst.
  • Antike Kultur: Hellenismus, pergamenische Kunst (Theatralik), hellenistische Malweisen (veristisch, bizarr, subjektiv), Prunkarchitektur der Diadochenstädte.
  • Arabische Kultur: Sultansdynastien 9./10. Jahrhundert, spanisch-sizilische Kunstblüte, Samarra.
  • Abendländische Kultur: 19./20. Jahrhundert, Franz Liszt, Hector Berlioz, Richard Wagner, Impressionismus von John Constable bis Wilhelm Leibl und Édouard Manet, amerikanische Archiktektur.

2. Ende der Formentwicklung überhaupt. Sinnlose, leere, erkünstelte, gehäufte Architektur und Ornamentik. Nachahmung archaischer und exotischer Motive

  • Ägyptische Kultur: 18. Dynastie 1550 v. Chr. - 1328 v. Chr, Felsentempel von Dehr el-Bahri. Memnonskolosse. Kunst von Knossos und Amarna.
  • Antike Kultur: Römerzeitzeit 100 v. Chr ? 100 n. Chr., Häufung der 3 Säulenordnungen, Fora, Theater (Kolosseum), Triumphbögen.
  • Arabische Kultur: Seldschukenzeit seit 1050, ?Kunst des Orients? während der Kreuzzüge.
  • Abendländische Kultur: Seit 2000.

3. Ausgang. Ausbildung eines starren Formenschatzes. Prunken der Cäsaren mit Material und Massenwirkung. Provinziales Kunstgewerbe

  • Ägyptische Kultur: 19. Dynastie 1328 v. Chr. ? 1195 v. Chr, Riesenbauten von Luxor, Karnak und Abydos, Kleinkunst (Tierplastik, Gewebe, Waffen).
  • Antike Kultur: Von Trajan bis Aurelian, Riesenfora, Thermen, Säulenstraßen, Triumphsäulen, römische Provinzkunst (Keramik, Statuen, Waffen).
  • Arabische Kultur: Mongolenzeit seit 1250, Riesenbauten zum Beispiel in Indien, Orientalisches Kunstgewerbe (Teppiche, Waffen, Geräte).
  • Abendländische Kultur.

III. Gleichzeitige politische Epochen

Vorzeit: Primitiver Völkertypus. Stämme und Häuptlinge. Noch keine ?Politik?. Kein ?Staat?

  • Ägyptische Kultur: Thinitenzeit (Menes) 2830 v. Chr - 2600 v. Chr.
  • Antike Kultur: Mykenische Zeit (Agamemnon) 1600 v. Chr - 1100 v. Chr.
  • Chinesische Kultur: Schangzeit 1700 v. Chr - 1300 v. Chr.
  • Abendländische Kultur: Frankenzeitzeit (Karl der Große) 500 - 900.

Kultur: Völkergruppe von ausgeprägtem Stil und einheitlichem Weltgefühl: ?Nationen?. Wirkung einer immanenten Staatsidee

I. Frühzeit: Organische Gliederung des politischen Daseins. Die beiden frühen Stände: Adel und Priestertum. Feudalwirtschaft der reinen Bodenwerte

  • Ägyptische Kultur: Das alte Reich 2600 v. Chr. - 2200 v. Chr.
  • Antike Kultur: Dorische Zeit 1100 v. Chr. - 650 v. Chr.
  • Chinesische Kultur: Frühe Dschouzeit 1300 - 800 v. Chr.
  • Abendländische Kultur: Gotische Zeit 900 - 1500.

1. Lehnswesen. Geist des bäuerlichen Landes. Die ?Stadt? nur Markt oder Burg. Wechselnde Pfalzen der Herrscher. Ritterlich-religiöse Ideale. Kämpfe der Vasallen untereinander und gegen den Fürsten

  • Ägyptische Kultur: Lehnsstaat der 4./5. Dynastie 2550 v. Chr. - 2320 v. Chr, wachsende Macht der Lehnsträger und Priesterschaften. Der Pharao als Inkarnation des Ra.
  • Antike Kultur: Das homerische Königtum, Aufstieg des Adels (Ithaka, Etrurien, Sparta).
  • Chinesische Kultur: Der Zentralherrscher (Wang) vom Lehnsadel bedrängt.
  • Abendländische Kultur: Deutsche Kaiserzeit, Kreuzzugsadel, Kaisertum und Papsttum.

2. Krisis und Auflösung der patriarchalischen Formen: vom Lehnsverband zum Ständestaat

  • Ägyptische Kultur: 6. Dynastie 2320 v. Chr. ? 2200 v. Chr, Zerfall des Reiches in erbliche Fürstentümer, 7./8. Dynastie: Interregnum.
  • Antike Kultur: Synoikismos des Adels, Auflösung des Königtums in Jahresämter, Oligarchie.
  • Chinesische Kultur: 934 v. Chr ? 909 v. Chr Vertreibung des I-Wang durch die Vasallen, 842 Interregnum.
  • Abendländische Kultur: Territorialfürsten, Renaissancestaaten, Haus Lancaster und Haus York, 1254 Interregnum.

II. Spätzeit: Verwirklichung der gereiften Staatsidee. Die Stadt gegen das Land: Entstehung des Dritten Standes (Bürgertum). Sieg des Geldes über die Güter

  • Ägyptische Kultur: Das mittlere Reich 2040 v. Chr ? 1790 v. Chr.
  • Antike Kultur: Ionische Zeit 650 v. Chr ? 300 v. Chr.
  • Chinesische Kultur: Späte Dschouzeit 800 v. Chr ? 500 v. Chr.
  • Abendländische Kultur: Barockzeit 1500 ? 1800.

3. Bildung einer Staatenwelt von strenger Form. Fronde

  • Ägyptische Kultur: 11. Dynastie, Sturz der Barone durch die Herrscher von Theben. Der zentralisierte Beamtenstaat.
  • Antike Kultur: 6. Jahrhundert v. Chr. Erste Tyrannis (Kleisthenes, Periander, Polykrates, die Tarquinier). Der Stadtstaat.
  • Chinesische Kultur: ?Zeit der Protektoren? (Mingdschu, 685 v. Chr ? 591 v. Chr) und der Fürstenkongresse (bis 460 v. Chr).
  • Abendländische Kultur: Dynastische Hausmacht und Fronde (Armand Jean du Plessis Richelieu, Albrecht von Wallenstein, Oliver Cromwell) um 1630.

4. Höchste Vollendung der Staatsform (?Absolutismus?). Einheit von Stadt und Land (?Staat und Gesellschaft?, die ?drei Stände?)

  • Ägyptische Kultur: 12. Dynastie (1990 v. Chr ? 1790 v. Chr): strengste Zentralgewalt, Hof- und Geldadel, Amenemhet, Sesostris.
  • Antike Kultur: Die reine Polis (Absolutismus des Demos). Politik der Agora, Entstehung des Tribunats, Themistokles, Perikles.
  • Chinesische Kultur: Periode Tschun-tsiu (?Frühling und Herbst?) 590 v. Chr ? 480 v. Chr. Sieben Großmächte. Vollendete vornehme Form (li).
  • Abendländische Kultur: Ancien régime, Rokoko, Hofadel (Versailles) und Kabinettspolitik. Habsburger und Bourbonen. Ludwig XIV, Friedrich der Große.

5. Sprengung der Staatsform (Revolution und Napoleonismus). Sieg der Stadt über das Land (des ?Volkes? über die Privilegierten, der Intelligenz über die Tradition, des Geldes über die Politik)

  • Ägyptische Kultur: 1790 v. Chr ? 1675 v. Chr. Revolutionen und Militärregiment. Zerfall des Reiches. Kleine Gewalthaber, zum Teil aus dem Volk stammend.
  • Antike Kultur: 4. Jahrhundert v. Chr, soziale Revolutionen und zweite Tyrannis (Dionysos I, Jason von Pherä, der Zensor Appius Claudius Caecus, Alexander der Große).
  • Chinesische Kultur: 480 v. Chr Beginn der Periode Tschankuo. 441 Untergang der Dschoudynastie. Revolutionen und Vernichtungskriege.
  • Abendländische Kultur: Ende des 18. Jahrhunderts. Revolutionen in Amerika und Frankreich (George Washington, George Fox, Gabriel de Riqueti, comte de Mirabeau, Maximilien de Robespierre, Napoleon).

Zivilisation: Auflösung der jetzt wesentlich großstädtisch veranlagten Volkskörper zu formlosen Massen. Weltstadt und Provinz: Der Vierte Stand (Masse), anorganisch, kosmopolitisch

1. Herrschaft des Geldes (der ?Demokratie?). Wirtschaftsmächte die politischen Formen und Gewalten durchdringend.

  • Ägyptische Kultur: 1675 v. Chr ? 1550 v. Chr Hyksoszeit. Tiefster Verfall. Diktaturen fremder Generale (Chian). Seit 1600 v. Chr endgültiger Sieg der Herrscher von Theben.
  • Antike Kultur: 300 v. Chr ? 100 v. Chr, der politische Hellenismus. Von Alexander bis Hannibal und Scipio (200): die königliche Allgewalt; von Kleomenes III und Gaius Flaminius (220) bis Marius: die radikalen Volksverführer.
  • Chinesische Kultur: 480 v. Chr ? 230 v. Chr ?Zeit der kämpfenden Staaten?. 288 v. Chr der Kaisertitel. Die imperialistischen Staatsmänner von Tsin. Seit 249 v. Chr Einverleibung der letzten Staaten.
  • Abendländische Kultur: 1800 ? 2000. 19. Jahrhundert: Von Napoleon bis zum Weltkrieg, ?System der Großmächte?, stehende Heere, Verfassungen. 20. Jahrhundert: Übergang der verfassungsmäßigen in formlose Einzelgewalten, Vernichtungskriege, Imperialismus.

2. Ausbildung des Cäsarismus. Sieg der Gewaltpolitik über das Geld. Zunehmend primitiver Charakter der politischen Formen. Innerer Zerfall der Nationen in eine formlose Bevölkerung. Deren Zusammenfassung in ein Imperium von allmählich wieder primitiv-despotischem Charakter.

  • Ägyptische Kultur: 1550 v. Chr ? 1328 v. Chr, 18. Dynastie. Thutmosis III
  • Antike Kultur: 100 v. Chr ? 100 n. Chr.: Von Sulla bis Domitian, Cäsar, Tiberius.
  • Chinesische Kultur: 250 v. Chr ? 26 n. Chr. Haus des Wang Dscheng und Westliche Han-Dynastie, 221 Augustustitel (Schi) des Cäsar Hoang-ti. 140 v. Chr ? 86 v. Chr Wu-ti.
  • Abendländische Kultur: 2000 ? 2200.

3. Heranreifen der endgültigen Form: Privat- und Familienpolitik von Einzelherrschern. Die Welt als Beute. Ägyptizismus, Mandarinentum, Byzantinismus. Geschichtsloses Erstarren und Ohnmacht auch des imperialen Mechanismus gegenüber der Beutelust junger Völker oder fremder Eroberer. Langsames Heraufdringen urmenschlischer Zustände in eine hochzivilisierte Lebenshaltung.

  • Ägyptische Kultur: 1328 v. Chr ? 1195 v. Chr, 19. Dynastie.
  • Antike Kultur: 100 ? 200: Von Trajan bis Aurelian; Septimius Severus.
  • Chinesische Kultur: 25 ? 220 Östliche Han-Dynastie, 58 ? 76 Ming-ti.
  • Abendländische Kultur: nach 2200.

Ausgaben

  • Wien 1918 (Band 1: Gestalt und Wirklichkeit)
  • München 1922 (Band 2: Welthistorische Perspektiven)
  • München 1960, Hg. H. Werner (gekürzt)
  • München 1972 (dtv, 2 Bände)
  • München 1980
  • München 1989 (2 Bände)

Literatur

  • G. Briefs: Untergang des Abendlandes, Christentum und Sozialismus. Eine Auseinandersetzung mit Oswald Spengler, Freiburg im Breisgau 1921
  • L. Th. Haering: Die Struktur der Weltgeschichte, Philosophische Grundlegungen zu einer jeden Geschichtsphilosophie in Form einer Kritik Oswald Spenglers, Tübingen 1921
  • F. Köhler: Untergang oder Aufstieg der abendländischen Kultur, München 1921
  • Benedetto Croce: Randbemerkungen eines Philosophen zum Weltkrieg, Zürich 1922
  • Friedrich Meinecke: Über Spenglers Geschichtsbetrachtung (in: Wissen und Leben, 16, 1922, Heft 1)
  • Alois Dempf: Die ewige Wiederkehr, Ibn Chaldun und Oswald Spengler (in: Hochland, 20, 1922/23, Heft 1)
  • A. Fauconnet: Oswald Spengler, le prophète du déclin de l?occident, Paris 1925
  • Eduard Meyer: Spenglers ?Untergang des Abendlandes?, Berlin 1925
  • A. Aliotta: Il nuovo storicisma in Germania e gli universi formali di Spengler, Rom 1936
  • Arnold J. Toynbee: Wie ich zu Oswald Spengler kam (in: Hamburger Akademische Rs,3, 1949, Seite 309-313)
  • Theodor W. Adorno: Spengler nach dem Untergang (in: Der Monat, 2.5.1950, auch in: Th.W. Adorno: Prismen, Kulturkritik und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1969)
  • Erich Rothacker: Toynbee und Spengler (in: DVLG, 24, 1950, Heft 13)
  • F. Rauhut: Die Geschichtsphilosophie Vicos, Spenglers und Toynbees in ihrer Zusammengehörigkeit (in: Der Vergleich. Literatur- und sprachwissenschaftliche Interpretationen. Festschrift H. Petriconi, Hg. H. Grossmann, Hamburg 1955)
  • H. J. Schoeps: Vorläufer Spenglers Studien zum Geschichtspessimismus im 19. Jahrhunderts, Leiden 1955

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