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demokratische erziehung

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Demokratische Erziehung

Demokratische Erziehung bezeichnet unterschiedliche Formen der Erziehung, die den Anspruch haben, demokratisch zu sein oder ein demokratisches Zusammenleben, im Sinne einer Demokratie als Lebensform, zu fördern.

Dazu gehören Erziehungsansätze, die Inhalte über Demokratie vermitteln oder demokratische Verhaltensweisen einüben sollen genauso, wie Versuche die Strukturen des Bildungswesens demokratisch zu gestalten.

Table of contents
1 Ziele
2 Erziehungsansätze
3 Umgestaltung
4 Hemnisse
5 Geschichte
6 Literatur

Ziele

Entsprechend der unterschiedlichen Demokratieauffassungen gibt es auch unterschiedliche Zielstellungen für eine demokratische Erziehung:
  • Ziel kann sein, Menschen eine Orientierung in der Gesellschaft zu bieten und ihnen die Informationen zu geben, die jemand benötigt, um an demokratischen Meinungsbildungsprozessen mitwirken zu können;
  • Andere Ansätze versuchen, Werte und Verhaltensweisen zu vermitteln, die für ein friedliches Zusammenleben zu fördern, dazu gehören beispielsweise Toleranz, Solidarität, Verantwortungsübernahme
  • Darüber halten es andere Erziehungsansätze für ein grundlegendes Kinderrecht, dass Kinder wie auch andere Menschen über ihr eigenes Leben und Lernen entscheiden können. Hier ist Demokratie weniger ein Lernziel als eine Lernform.

Erziehungsansätze

Diese unterschiedliche Erziehungsziele werden auch in unterschiedlichen Methoden deutlich. Stichpunktartig sind hier zu nennen:

  • Fächer wie Sozialkunde, Ethik oder Politische Weltkunde, in denen Wissen über soziale Institutionen vermittelt und die Reflexion über ethische Fragen angeregt werden soll;
  • Medienpädagogische Ansätze, die Menschen im Umgang mit Informationen aber auch Propaganda sensibilisieren wollen;
  • Schülermitspracherechte (z.B. Schülervertretung, Schulversammlung etc.) bringt Schülern eine begrenzte Möglichkeit ihre Meinung im Austausch mit der Schule zum Ausdruck zu bringen und in einigen Fragen mitzuentscheiden;
  • Schülermitbestimmung wird u.a. in afrozentristischen Ansätzen als Schritt zu einer umfassenden Demokratisierung gefordert. Dabei geht es um eine Einbeziehung von Schülern in alle Fragen, die ihre Erziehung betreffen (bis hin zur Einstellung von Lehrpersonal);
  • die Öffnung der Schule, wie sie besonders die Community-Ansätze aus dem anglo-amerikanischen Bildungswesen anstreben, versucht die Umwelt der Institution Schule miteinzubeziehen und so der Lebenswirklichkeit der Schüler näher zu kommen;
  • Mediationsverfahren wie das Streitschlichtertraining werden teilweise zur demokratischen Erziehung gerechnet, weil sie in Schulen die Konfliktlösungskompetenzen mit auf die Schüler verteilen und ihnen damit mehr Einfluss auf ihr eigenes Lernumfeld geben. Zudem setzen sie sich mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Kompromissfindung auseinander, was als ein Bestandteil von notwendigen demokratischen Fähigkeiten angesehen werden kann.
  • Demokratietraining, wie es inzwischen häufiger in Seminarform oder als Fortbildung angeboten wird, trainiert entsprechende demokratische Konfliktlösung u.a. in Rollenspielen.

Umgestaltung

Demokratie lernen bedeutet eine Herausforderung sowohl an die Beteiligten wie Schüler oder Lehrer aber auch an die Institutionen. Nach Burk et al (2000, S. 10) ergeben sich folgender Umgestaltungsbedarf:
für Kinder für Lehrer/innen/
Erzieher/innen
Verantwortung übernehmen übergeben
Selbständigkeit erlernen ermöglichen
»Ich«-Stärkung erfahren befördern
Toleranz entwickeln vorleben
Zivilcourage aufbauen und zeigen zeigen und würdigen
Sich einmischen lernen und praktizieren fordern und akzeptieren
Mitgestaltung
Mitbestimmung
Mitbeteiligung
praktizieren unterstützen
befördern
ermöglichen
Mitdenken pflegen verlangen
Mitreden können lassen
Reale Partizipations-
Möglichkeiten
ergreifen eröffnen
Soziale Kompetenz erwerben, ausbilden einbringen
Demokratie leben, erleben vorleben, leben
erlebbar machen

Hemnisse

Angesichts dieses Umgestaltungsbedarfes kommen Einwände gegen eine demokratische Erziehung teilweise aus dem Bildungssystem selber, und tragen dazu bei den Status Quo beizubehalten. Argumente hierfür sind unter anderem: dass Kinder zu unmündig für eine solche Erziehung seien; dass Unterricht dadurch verlangsamt würde oder dass die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zu einer ungerechten Interessendurchsetzung führen würden.

Verschiedene Aspekte im Bildungswesen stehen zudem gegen eine demokratische Erziehung. Dazu gehört die gesetzlich verankerte Einschränkung der Mitbestimmung von SchülerInnen, strukturelle Diskriminierung wie die Benachteiligung von SchülerInnen fremder Muttersprache oder die soziale Schichtung im dreigliedrigen Schulsystem, die eine starke soziale Reproduktionswirkung entfaltet.

Geschichte

Erziehung und Demokratie von John Dewey ist erstmals 1916 erschienen und wird bis heute (häufig sogar als einziger Beitrag) in erziehungswissenschaftlichen Schriften zu dem Thema angeführt. Dieser reformpädagogische Ansatz setzt in erster Linie auf die Vermittlung von demokratischem Erleben. In Deutschland kommen Gedanken zur Mitbestimmung ebenfalls in der Reformpädagogik auf und werden u.a. durch Gustav Wyneken für die Weimarer Republik in die Schulordnung aufgenommen. Dabei bleibt es aber auf staatstragende Ansätze wie der Einführung einer Staatsbürgerkunde und einer begrenzten Schülermitsprache beschränkt.

Mit dem Nationalsozialismus wird die Demokratie an sich bekämpft, wobei die Nazis allerdings viele reformpädagogische Projekte zumindest für einige Jahre weiterbestehen lassen unter anderem um für ihre eigenen Eliteeinrichtungen pädagogische Inspirationen zu finden (vgl. Erziehung im Nationalsozialismus).

Nach der Befreiung vom Faschismus planen die Alliierten zur Entnazifizierung eine demokratische Erziehung nach dem Vorbild Deweys zu verankern scheitern aber am Widerstand der deutschen Schuladministration. An vielen Punkten setzt die bundesdeutsche Schule an der Bildung der Weimarer Republik an. Erst mit der Gesamtschul-Bewegung und der antiautoritären Erziehung kommen in den 70er Jahren demokratische Zielstellungen wieder verstärkt ins Blickfeld der Erziehungswissenschaft. Gleichwohl bleibt eine tiefgreifende demokratische Erziehung bislang häufig auf Ausnahmeeinrichtungen wie der Bielefelder Laborschule begrenzt. Ihr Begründer Hartmut von Hentig ist wohl bekannteste Vertreter demokratischer Erziehung in Deutschland heute. International gibt es noch wesentlich weiter entwickelte demokratische Schulen.

Literatur

  • M. Bommes, J. Guter, U. Wolff-Jontofsohn: Demokratieerziehung in der Praxis. Eine Evaluation des Programms MITEINANDER - ERFAHRUNGEN MIT BETZAVTA, Abschlussbericht, Dezember 2002, digitale Ausgabe, Link auf online Fassung.
  • K. Burk, A. Speck-Hamdan, H. Wedekind [Hrsg.]: Kinder beteiligen - Demokratie lernen? Frankfurt am Main: Grundschulverband, 2033, ISBN: 3-930024-85-3.
  • C. Büttner, B. Meyer [Hrsg.]: Lernprogramm Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen politischer Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Weinheim, München: Juventa, 2000.
  • J. Dewey: Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik, Taschenbuch-Ausgabe, Weinheim: Beltz, 2000. ISBN: 3-407-22057.
  • H. von Hentig: Die Sache und die Demokratie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1975.
  • H. von Hentig: Die Menschen stärken, die Sachen klären, Stuttgart: Reclam, 1985.
  • H. von Hentig: Die Schule neu denken. Eine Übung in praktischer Vernunft. Eine zornige, aber nicht eifernde, eine radikale, aber nicht utopische Antwort auf Hoyerswerda und Mölln, Rostock und Solingen, München: Hanser, 1993.
  • Netzwerk für Demokratie und Courage: Für Demokratie Courage zeigen (Arbeitsmappe), Dresden: Selbstverlag: DGB-Landesbezirk Sachsen, o.J. 2000, zitiert werden die gel-ben Blätter (Überschrift).
  • C. Rojzman: der Haß, die Angst und die Demokratie, München: AG Spak, 1997.
  • G. J. Sefa Dei: Anti-racism Education. Theory and Practice, Halifax: Fernwood, 1996.

siehe auch: Civic Education, Politische Bildung

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