Columbia Graphophone Company
Die 1888 gegründete, 1934 faktisch aufgelöste Columbia Graphophone Company war das erste Unternehmen der Welt, das sich mit der Herstellung von Tonträgern beschäftigte. Die gesamte moderne Musikindustrie hat ihre Wurzeln in den Ereignissen, die zur Gründung des Columbia-Konzerns führten, und viele bahnbrechende technische Neuerungen auf dem Gebiet der Tonaufzeichnung haben ihren Ursprung in den Labors des Unternehmens.
Table of contents |
2 Gründung erster Vorläuferunternehmen 3 Die Columbia Graphophone Company entsteht 4 Niedergang und Fusionen |
Im Dezember 1877 gelang Thomas Alva Edison unter Verwendung des von ihm erfundenen Zinnfolienphonographen die Anfertigung der vermutlich ersten wiedergabefähigen Tonaufnahme der Welt. Der Phonograph wurde im Januar 1878 patentiert und der staunenden Öffentlichkeit präsentiert, erwies sich aber in Ermangelung eines brauchbaren Tonträgermaterials und eines stabilen Antriebs als physikalisches Spielzeug ohne echten Gebrauchswert. Edison verlor daher schnell das Interesse an seiner Erfindung und wandte sich anderen Forschungsfeldern zu.
Im Jahre 1879 erhielt der junge Ingenieur Charles Sumner Tainter (* 25. 4. 1854; + 20. 4. 1940), der sich zuvor als Hersteller wissenschaftlicher Instrumente einen guten Ruf erworben hatte, von seinem Kunden Alexander Graham Bell, dem Erfinder des modernen Telephons, eine Einladung nach Washington. Dort beauftragte Bell ihn mit der Einrichtung eines Laboratoriums, in dem Tainter an der Entwicklung eines Gerätes arbeiten sollte, das in der Lage war, Töne drahtlos zu übertragen. Tainter willigte ein, und schon 1880 konnten er und Bell der staunenden Weltöffentlichkeit ein funktionierendes System präsentieren, das den Namen ?Radiophone? erhielt und Klänge unter Verwendung von Lichtwellen und Selenzellen übertrug. Das Konzept erwies sich als nicht praxistauglich, aber Bell war von Tainters Qualitäten so angetan, dass er Anfang 1881 zusammen mit ihm unter dem Namen ?Volta Laboratory Association? eine Firma gründete, deren Zweck die wissenschaftliche Verwertung des Geldes sein sollte, an das Bell durch die Verleihung des hochdotierten Volta-Preises für die Erfindung des Telephons gelangt war. Als dritter Teilhaber wurde ein Cousin A. G. Bells, der aus London stammende Chemiker Chichester A. Bell, in die Firma aufgenommen. Alexander G. Bell beschränkte sich in der Folgezeit auf die Rolle des Geldgebers und überließ es den beiden jüngeren Forschern, die sachliche Ausrichtung des Firmenprojekts zu bestimmen. C. Bell und Tainter entschieden sich dafür, ihre Anstrengungen auf die Weiterentwicklung von Edisons Phonographen zu konzentrieren. Binnen kürzester Zeit gelang es ihnen, die entscheidenden Schwachpunkte des Zinnfolienphonographen zu ermitteln und Lösungskonzepte zu entwickeln. Am 28. 3. 1881 zeichnete Tainter in sein Notizbuch die Skizze eines Aufnahmegeräts, das die Schallwellen nicht in eine zylindrisch angebrachte Folie, sondern in eine runde, rotierende Platte gravieren sollte. Am 1. Mai 1881 ließ er von einem Mechaniker eine entsprechende Vorrichtung bauen; als Tonträger verwendete er Wachsplatten, die elektrolytisch mit einem dünnen Überzug aus Kupfer versehen waren; die Schallwellen wurden nicht in Edisons Vertikalschrift, sondern als horizontale Bewegungen des Schneidstichels in das Material geschnitten.
Als älteste erhaltene Schallplatte der Welt gilt heute eine den erhaltenen Unterlagen zufolge schon am 28. Februar 1880 im Smithsonian Institute hinterlegte Platte, die ebenfalls aus weichem Material mit elektrolytisch aufgebrachtem Kupferüberzug besteht. Die Platte ist unbeschriftet, und in den Dokumenten des Instituts ist der Name ihres Herstellers nicht verzeichnet. Ob die Entstehung des Tonträgers einem namenlosen Genie zu verdanken ist, dem schon ein Jahr vor Tainter die Entwicklung eines entsprechenden Verfahrens gelang, oder ob Tainter selbst bereits vor dem Beginn der Kooperation mit Bell an einem entsprechenden Modell gearbeitet und die Platte hinterlegt hat, ist völlig unklar; denkbar wäre natürlich auch ein banaler Schreibfehler im Datum bei der Registrierung einer erst 1881 oder 1882 entstandenen Platte.
Die Versuche mit dem Platten-Aufzeichnungsgerät verliefen wenig glücklich, da es Tainter und Bell nicht gelang, ein funktionsfähiges Abspielgerät zu entwickeln. Im Sommer 1881 näherten sich die Erfinder daher wieder stärker der ursprünglichen Bauform des Edison-Phonographen an und ersetzten die Zinnfolie durch einen mit Wachs überzogenen Cylinder aus Pappe. Diese Walze war der erste prinzipiell funktionsfähige, auswechselbare Tonträger der Welt.
In den folgenden Wochen verbesserten Bell und Tainter die Aufnahme- und Wiedergabeschalldosen und experimentierten mit einem Tonabnehmer, der über eine Düse mit mikroskopisch kleiner Öffnung Druckluft in die Schallrille blies. Aus Angst vor Plagiateuren hinterlegten sie am 20. Oktober 1881 im Smithsonian Institute eine versiegelte Schachtel, die einen verbesserten Phonographen samt Wachscylinder, eine der kupferbeschichteten Wachsplatten, Teile des Pressluft-Abnehmersystems und diverse Dokumente enthielt. Auf dem Cylinder ist die Stimme von Prof. A. Melville Bell, dem Vater Alexander Graham Bells zu hören, der sagt: ?I am a graphophone, and my mother was a phonograph.? Dieses wohl als Witz gedachte Wortspiel war die Geburt des von Columbia bis in die 30er Jahre verwendeten Markennamens ?Graphophone?. Die Kiste wurde erst im Jahre 1937 wieder geöffnet; ihr Inhalt befindet sich bis heute in der Ausstellung des Smithsonian Institute.
In den Jahren 1881 bis 1885 arbeiteten Bell und Tainter an der Weiterentwicklung des Graphophons, verbesserten Tonabnehmern und neuen Cylinder-Materialien und -Formaten. Tainter befasste sich sogar schon mit der Idee einer Schallplatte mit konstanter Lineargeschwindigkeit, die allerdings nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Im August 1885 hatte das Graphophone einen Entwicklungsstand erreicht, der Bell und Tainter an die Einleitung einer kommerziellen Vermarktung denken ließ. Tainter gab bei der in New York ansässigen Firma Bergman & Co., die schon für Edison Zinnfolienphonographen gebaut hatte, eine erste Vorserie von sechs Graphophonen in Auftrag, die infolge technischer Schwierigkeiten erst am 1. Januar 1886 fertiggestellt wurden. Am 6. Januar 1886 wurde daraufhin die alte ?Volta Association? in eine Aktiengesellschaft namens ?Volta Graphophone Company? mit Sitz in Alexandria, Virgina umgewandelt; Teilhaber wurden neben den drei ursprünglichen Firmeneignern James H. Saville und Charles J. Bell, ein als Rechtsanwalt tätiger Bruder von Chichester Bell. Tainter richtete sich in Washington ein neues Labor ein und erfand dort eine Maschine, die aus schräg aufgerollten, verklebten Pappstreifen die inneren Pappkerne für die Wachscylinder herstellen konnte. Das diesbezüglich erteilte Patent erwies sich als enorme zusätzliche Einnahmequelle, da die Papp-Röhren auch anderweitig vielfältig einsetzbar waren; bis heute werden sie praktisch unverändert etwa als Kern von Toilettenpapier-Rollen verwendet.
Die ersten Graphophone waren ausschließlich als Diktiergeräte konzipiert und wurden über ein von dem Nähmaschinenhersteller Wheeler & Wilson geliefertes Fußpedal-Gestell angetrieben; sie erschienen im Frühjahr 1886 auf dem Markt und erregten sofort die Aufmerksamkeit Edisons, der natürlich seine Patente verletzt sah und die Volta Graphophone Co. in eine langwierige juristische Auseinandersetzung verwickelte, während er zeitgleich damit begann, selbst mit Wachscylindern zu experimentieren und neue Phonographen zu entwickeln. Anfang 1887 konnte Edison die von Bell und Tainter praktizierte Verwendung von Carnaubawachs als Cylinder-Beschichtung aus patentrechtlichen Gründen unterbinden lassen; wenige Monate später gelang Tainter allerdings die Entwicklung eines aus Kohle gewonnenen Kunstwachses namens Ozocerite. Bell und Tainter
Gründung erster Vorläuferunternehmen