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burg waldeck

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Burg Waldeck

Burg Waldeck ist eine Burgruine im Hunsrück.

Geschichte

Kultur

In den Jahren 1964 bis 1969 fanden auf der Burg Waldeck die ersten Festivals "Chanson Folklore International" statt.
Waldeck, wo sich ab 1964 der Auf- und Umbruch von 1968 in Liedern, Chansons, Kabarett, Diskussionen ankündigte, wird immer wieder auch das "deutsche Woodstock" genannt. Von hier gingen damals geistig-kulturelle Anstöße in die jugendlichen und intellektuellen Szenen der ganzen Republik. Niedecken und viele seiner Kollegen vom kritischen Text und Lied bekennen sich deshalb zu ihren Waldecker Wurzeln. Bis heute bestätigen Rundfunk- und Fernseh-Sendungen immer wieder diese Fernwirkung.
Der Wandervogel, Teil der deutschen Reformbewegungen vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, nutzte den Platz bereits um 1910. 1920 entdeckten die Brüder Oelbermann und ihr Freund Nauke (Kurt Lorenz) die Burg für den neuen Jungenbund "Nerother Wandervogel". Unter dem legendären Bundesführer Robert Oelbermann wurde die Waldeck ab 1922 zum Erlebnis- und Fahrten-Mittelpunkt. Das ehrgeizige Siedlungs- und Bau-Projekt "Rheinische Jugendburg" wurde begonnen und propagiert.
Die Gruppen von nah und fern entwickelten eine im ganzen deutschen Sprachraum beachtete Liedkultur, die mit dem Namen Waldeck verbunden war.
Auch Schriftsteller lebten hier. Werner Helwig schuf in seiner Wandervogelzeit in einer selbstgebauten Hütte am Fuße der mittelalterlichen Burgruine eigene Lieder und vertonte Gedichte von Bert Brecht zu Liedern, die heute noch gesungen werden. Romain Rolland war zu Besuch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Stefan Andres und andere.
Fahrtengruppen brachen von hier aus auf zu ungewöhnlichen, abenteuerlichen Reisen in Europa, nach Afrika, nach Südamerika, ja auch zu einer Weltfahrt. Sie brachten nicht nur Lieder in vielen Sprachen mit. Sie drehten auch Filme, die bei der Ufa Anklang als Kulturfilme fanden. Im Gegenzug kam internationaler Besuch in den einsamen Hunsrück. So 1930 der indische Dichter, Philosoph, Pädagoge und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore.

Soviel Kreativität, Unabhängigkeit, Weltläufigkeit und Jugendfaszination war den Nazis suspekt. Der Jungenbund "Nerother Wandervogel" wurde 1933 gezwungen, sich aufzulösen. Der Trägerverein "Bund zur Errichtung der Rheinischen Jugendburg" wandelte sich 1934 zur neutraleren "Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck" um, musste sich aber 1935 ebenfalls auflösen. Die Häuser wurden beschlagnahmt und Robert Oelbermann, die Hauptfigur unter den Gründern, 1941 im KZ Dachau ermordet. Sein Zwillingsbruder Karl und Mitbegründer entzog sich dem Zugriff der Nazis und überlebte mit Freunden in Afrika.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Überlebenden wieder auf "ihre" Burg. Die überstandene Katastrophe setzte neue Prämissen. Nicht mehr Baustelle einer romantischen Ritterburg, sondern Ort der gelebten Toleranz und der internationalen Jugend-Begegnung sollte die Waldeck nach dem Willen des wiedergegründeten Vereins "Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V." (ABW) fürderhin sein.
Mitte der fünfziger Jahre stellten sich Differenzen über diesen Kurs ein. Karl Oelbermann, Jahrgang 1896, Ehrenvorsitzender der ABW, hatte den Jungenbund "Nerother Wandervogel", später "Bund zur Errichtung der Rheinischen Jugendburg Nerother Wandervogel Burg Waldeck e.V.", unter seiner lebenslangen Führung neu gegründet und beanspruchte dafür das alleinige Eigentums- und Hausrecht auf Burg Waldeck. Da der Verein ABW, der damals ganz überwiegend aus "Nerothern" der Vor-Nazi-Zeit bestand, dies ablehnte, kam es zum Streit um die grundsätzliche Ausrichtung und ab Ende 1957 zum Prozess um das Grundeigentum, der nach zwanzig Jahren zugunsten der ABW endete, die als Rechtsnachfolger der ABW von 1934 uneingeschränkt anerkannt wurde. Der Verein "Bund zur Errichtung ... Nerother Wandervogel" hat unmittelbar benachbart Grundbesitz, so dass heute zwei gegensätzlich ausgerichtete Vereine aus historisch gleicher Wurzel auf dem Waldeck-Gelände existieren. Statt der großen Jugendburg wurden in der Regie der ABW von unterschiedlichen Jugendbünden in den Fünfzigern eigene Heime und Hütten errichtet. Die neue Kultur baute auf der Tradition auf, entwickelte sie aber entschieden weiter. Die Fragen der Zeit wurden kritisch reflektiert, auch das überlieferte Liedgut. Man öffnete sich neuen Einflüssen, z.B. aus der amerikanischen Studenten-, Folk- und Bürgerrechtsbewegung und entdeckte selber verschüttete oder diskriminierte deutsche Traditionen, etwa: die jiddische Kulturwelt mit den Liedern der vernichteten Ostjuden, die Lieder der deutschen Demokraten aus der gescheiterten Revolution von 1848, die Lieder der Landstreicher, Berber und Fahrenden. Der große Waldeck-Sänger und Liedforscher Peter Rohland, der leider 1966 im Alter von 33 Jahren verstarb, ist hier als Pionier zu nennen. Es entstand die Idee zu einem "Bauhaus des Liedes" und daraus das erste Waldeck-Festival von 1964 "Chanson Folklore International". Die Folge von Festivals bis 1969 führte zur Renaissance des engagierten deutschsprachigen Liedes.

Zuvor war dies im Schatten der Nazikultur undenkbar gewesen, wie es Franz Josef Degenhardt auf der Waldeck sang:

Tot sind unsre Lieder,
Kurzbehoste sie verklampft,
Unsre alten Lieder.
Braune Horden totgeschrien,
Lehrer haben sie zerbissen,
Stiefel in den Dreck gestampft.

Auf der Waldeck selbst kehrte nach der Kraftanstrengung der Festivals wieder Alltag ein. Nicht so spektakulär, aber immer kreativ. Werkstätten für Tanz, Theater, Kabarett oder Lied und Chanson bringen immer wieder beachtliche Ergebnisse hervor. Diskussionen und Seminare interpretieren die Zeitläufte. Ein neues Säulenhaus und ein Bühnenpavillon wurden gebaut.

Weblink

  • http://www.nerother-wandervogel.de

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